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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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dem wir auf Island unsere Pferdchen tränken. Sei vorsichtig, trink nicht alles auf einmal.« Genau das tat aber Nancy. Ich nippte nur und bereute es im nächsten Moment. Schwarzer Tod war ein passender Name, daran konnte es keinen Zweifel mehr geben.
    Zwei Stühle wurden herbeigeschafft, wir saßen uns gegenüber, ich mein Glas in der Hand, Nancy mit einer Zigarette, die nicht mehr als drei Züge lang erglühte, bevor der übriggebliebene Filter im Aschenbecher landete. »Island«, sagte Nancy, »ist das Reich der Elfen, weißt du das? Der unsichtbaren Leute, wie wir das nennen, da gibt es die merkwürdigsten Geschichten. Die Elfen haben ihre Wohnungen und ihre Reiche, das muss man beachten, wenn man etwa eine neue Straße bauen will. Es gibt Menschen, die können Elfen sehen und wissen daher, wo sich ihre Wohnungen befinden. Sie fragt man um Rat, wenn irgendetwas neu gebaut werden soll. Und deshalb gibt es auf Island Straßen, die ohne erkennbaren Grund eine Kurve beschreiben. Sie werden an den Wohnungen der Unsichtbaren vorbeigeführt.« »Glaubst du daran?« Nancy sah mich erstaunt an. »Das ist keine Glaubensfrage, mein Schatz. Das WEISS man einfach. Wer die Wohnungen der Elfen missachtet, hat Unglück. Willst noch einen Schnaps? Trink mal schnell aus.« Ich schloss die Augen und gab mir den Schwarzen Tod.

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    So hockten wir eine Stunde zusammen und machten trinkend, rauchend, Salzstangen kauend Werbung für alle nur möglichen Zivilisationskrankheiten. Es stellte sich rasch heraus, dass Nancy Halgrimsdottir auch nicht wusste, was aktuell auf Island vor sich ging, gleich am nächsten Morgen jedoch einen Rundruf durch die isländische Gemeinde starten wollte. »Wie sieht’s sexmäßig mit dir aus? Gehörst du auch zu denen, die davon träumen, von einer ukrainischen Kugelstoßerin mal so richtig rangenommen zu werden? Bin ich zwar nicht, aber trotzdem.« Ich lehnte das gutgemeinte Angebot in diplomatischen Worten ab, Nancy machte nur »tzja«. Und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Du bist mir sowieso viel zu groß, ich steh eher auf kleine süße Typen mit langen Haaren.« Aha. Deshalb hatte ich mich also gewundert, dass all die kleinen süßen Typen mit langen Haaren aus dem Stadtbild verschwunden waren.
    Die kalte Luft tat mir gut. Sie kämpfte wacker gegen den schwarzen Tod an und zog ihm wenigstens einigermaßen den Stachel. Da ich mich zudem nach Hermines Anblick sehnte – nicht dass mir der Nancys zuwider gewesen wäre, aber sie war nun auch nicht gerade mein Typ – und ein starker Kaffee nichts schaden konnte, ging ich auf dem Rückweg an der »Bauernschenke« vorbei, das heißt, ich ging nicht vorbei, sondern schnurstracks hinein. Wieder war sie rentnervoll, wieder schwängerten unter den Mühen der Betagtheit ausgeschüttete Sexualhormone die Luft, wieder hopste Hermine quirlig durch das überschaubare Labyrinth der Tische. An einem von diesen saß Irmi mit einem älteren, etwas ungepflegten Mann. Sie sah mich und machte Zeichen, mir einen anderen Platz zu suchen. Ich tat es, wartete auf Hermine, die mir über den Kopf streichelte, was einen Rentner zu dem Ausruf »Obacht, gleich macht die Süße wieder Softporno« anstachelte, und bei der Kaffeebestellung ein »Hast schon was getrunken?« fragte.
    Ich beobachtete das Treiben mit jenem fatalen nüchternen Gelangweiltsein, das uns zu verstehen gibt, die Welt werde auch durch ständigen Alkoholgenuss nicht wirklich spannender. Der Kaffee tat ein übriges, zog mir den Vorhang von den Gedanken, die ihrerseits wie Vorhänge vor der Erkenntnis lagen, wir befänden uns in einer schier ausweglosen Situation, mehrere Nummern zu groß für uns. Wenn es tatsächlich zutraf, dass Konsul Bruggink und die Seinen in der Lage waren, einen ganzen, wenn auch kleinen Staat nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.... Moment, mal ganz langsam: Das war nicht erwiesen, das war blanke Spekulation. Und was wussten wir von diesem Konsul? Vielleicht war er ganz harmlos. In dem Moment, da ich das dachte, wusste ich schon: Nein, er war nicht harmlos. Aber wie gefährlich war er?
    Unnütze Spekulationen. Irmi und ihr Typ sprachen abwechselnd aufeinander ein, der Typ schaute immer wieder zum Tresen hin, wo sich die Wirtsschwestern mit dem Gläserfüllen abwechselten. Panik lag in seinem Gesicht. Ich legte einen kleinen Schein auf dem Tisch, mit dem der Kaffee überreichlich vergolten war und sich Hermine über ein Trinkgeld freuen konnte, erhob mich schwer, winkte der Liebsten

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