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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Spielzeugeisenbahn, das erste selbstverdiente Geld oder das erste Mal. Ich wusste es des halb, weil Oxana und ich nicht dazu kamen, die Laptops aus dem Kofferraum zu holen und die Verbindung zum Internet herzustellen. Und damit würde alles ein Teil meiner schwülstigen Vorstellungswelt bleiben, ich würde unzählige Versionen dessen, was hätte stattfinden können, aber nicht stattfand, durchspielen, von genüsslich bis nostalgisch, von jubilierend bis wehklagend, ohne jemals wieder die Chance zu bekommen, auch nur die harmloseste dieser Versionen mit irgend einer Form von Wirklichkeit abzugleichen. Was deshalb besonders tragisch war, weil ich meine beste Unterhose an hatte.
    Denn gerade als wir zum Vollzug schreiten wollten, geschah etwas. Ein Wagen fuhr vor, hielt auf Höhe des Tores zum Gebhardtschen Anwesen und Herr Honig stieg aus. Seine Nase, das konnte man deutlich sehen, war bandagiert, ein Umstand, der mich sehr erfreute, hatte es also vor wenigen Tagen bei der nächtlichen Konfrontation am Hinterausgang der Firma Gebhardt und Lonig, Im- und Export, genau den richtigen auf die richtige Stelle getroffen. Er drückte auf den Klingelknopf und ging ungeduldig ein paar Schritte hin und her, Oxana ließ vorsichtig das Seitenfenster einen Spalt nach unten, wir hörten ein Quäken aus der Gegensprechanlage und einen Satz Honigs, der aber leider nicht zu verstehen war.
    Für den Beschäler der Geschäftsführerin schien es kein sehr erfreulicher Dialog zu sein, wie seine Körpersprache anzeigte. Er krümmte sich, arbeitete bedenklich mit dem Kopf (äußerlich, kaum innerlich), seine Stimme wurde lauter, dann endlich trat er einen Schritt zurück und wartete abermals auf Dinge, die da kommen sollten. Sie kamen nach geschätzten drei Minuten, ein Arm, der durch das geräuschlos eine Winzigkeit geöffnete Tor gestreckt wurde, an diesem Arm eine Plastiktüte, die Honig entgegennahm, Honig, der ein paar Worte sagte, während sich das Tor wieder schloss, schließlich mit einem deutlich vernehmbaren »Fick dich doch!« das Ende der Kommunikation verkündete und sich anschickte, wieder in seinen Wagen zu steigen.
    »Was jetzt?« Ich hätte die Frage ebenso gut stellen können, gab aber ebenso gut die Antwort: »Keine Ahnung.« Oxana war von Marxer mit der Überwachung des Hauses beauftragt worden, die Uhr sagte uns, es sei zwanzig nach Zehn, von irgendwelchen Verfolgungsfahrten hatte Marxer nichts erwähnt. Honig fuhr an, wir rutschten tief in die Polster. »Ich fahr ihm nach«, entschied Oxana und drehte den Zündschlüssel.

106
    Die Straßen gehörten uns fast allein. Oxana ließ Honig sichere fünfzig Meter Vorsprung, er beließ es gesetzestreu bei fünfzig Pferden und hielt an jeder ro ten Ampel, ein Mensch ohne Ambitionen, von irgendeinem Amt zurückzutreten.
    Der Mann mit der gebrochenen Nase führte uns aus der Stadt hinaus. Schon stand mir Schauderndem das vermaledeite Wort »Großmuschelbach« vor Augen, als Honig abbog und die Straße nach Neugermanich nahm, dem glatten Gegenteil Großmuschelbacher Elends, ein ehemaliges Kuhdorf, das clevere Architekten zur gentrifizierten Suburbia oder wie auch immer gemacht haben, für die Glücklicheren von uns, die gerne Fußballplätze anlegen und sie Vorgarten nennen. Hier wurde nicht gewohnt, hier wurde residiert, die Straßen waren mit Flüsterasphalt geteert und überhaupt keine Straßen, sondern sämtlich Alleen, manche mit Pappeln, manche mit dicken Eichen, um die man im Falle eines betrügerischen Bankrotts sein Auto und sich selbst ebenso standesgemäß wie endgültig wickeln konnte. Ich hatte Neugermanich noch in Erinnerung als ein verschlafenes Nest vierschrötiger Männer, stempelbeiniger Frauen und pickliger Fahrschüler, aber so wie aus mir kleinem Jungen von damals ein kleiner Mann von heute geworden war, so aus den Neugermanichern Bewohner von grauen Mietshäusern am Rande der Stadt. Im neuen Neugermanich zu residieren konnte sich nur leisten, wem es zu popelig war, eine Zigarre mit einem 500-Euro-Schein anzuzünden. Mit zweien ging es besser.
    Gegen das Anwesen, vor dessen schmiedeeisernem Tor Honigs Wagen stoppte, stank die Gebhardtsche Trutzburg ab wie eine billige Kopie aus dem sozialen Wohnungsbau. Wenigstens sah man durch die Vergitterung das Haus selbst, es verdiente die Bezeichnung Schloss durchaus. Im Hof stand alles, was dem Autofreund lieb und teuer ist, von A wie Alpha Romeo bis Z wie Zweirad, wobei unklar blieb, was teurer gewesen war, der

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