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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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hochnäsig beäugt hatte – okay, ich trug heute ausnahmsweise keine Livree – und schließlich mit einem astreinen Kavaliersstart seine automobile Potenz bewies.
    »Ich hasse dich«, zischte ich Oxana zu, als sie, ihren Pelz an meiner mickrigen Jacke reibend, ins Auto stieg. »Ich liebe dich auch«, kam es zurück und: »Puh, war das anstrengend. Aber hat sich gelohnt. Jetzt fahren wir noch einen kleinen Absacker trinken und ich erzähl dir ein bisschen was.«

109
    So kam es, dass wir schweigend in die Stadt zurückfuhren. Erst als Oxana nach einem Parkplatz bei der angesagten Wirtschaft Plötzler suchte, hielt ich es nicht mehr aus und setzte zu einer didaktisch geschliffenen, moralisch ver nichtenden Suada an, von der aber nur ein ziemlich tonloses »Was sollte das denn?« das Licht der Welt erblickte.
    Oxana parkte vor einem Halteverbotsschild, stellte den Motor ab und sah mich mitleidig an. »Bist nicht so oft bei feinen Leuten eingeladen, gelt, du arme Maus?« Ich musste es zugeben. »Macht nix«, tröstete sie, »dann kannst du auch nicht wissen, dass bei jeder dieser Partys mindestens ein Herr unbe weibt erscheint. Nicht immer der hässlichste, aber« – sie seufzte eine Spur zu theatralisch – »heute doch.« »Der Dicke«, nickte ich, sie nickte zurück. »Landgerichtspräsident Miesauer, ich hab gleich erkannt, der Mann ist allein, so traurige Dackelaugen.« »Und?«
    Sie lachte. »Ich bin zu ihm hin – er stand mit zwei Herren in einer Ecke und sie redeten das übliche belanglose Zeug -, hab Hallo gesagt und ihm eine Hand auf den Rücken gelegt und gelächelt. Ah, wie er zurücklächelte! Und die anderen beiden erst, die mit ihren alten Haubitzen erschienen waren.«
    Ich begriff immer noch nicht. Oxana erzählte geduldig weiter. »Du kennst Escortservice? Frauen, die man für einsame Herren mieten kann. Ganz seriös natürlich, nur anspruchsvolle Konversation und Blickerotik. Miesauer hielt mich für eine besondere Aufmerksamkeit des Gastgebers, hoffentlich bedankt er sich nicht persönlich bei ihm.« Sie kicherte und mit edelstem Champagner betörter Atem wehte mir zu. »Netter Mann, doch. Liebt seine Arbeit, ist geschieden, kinderlos und sammelt chinesisches Porzellan. Dick und impotent, so wie ich die Männer liebe.« »Marxer ist nicht dick«, protestierte ich schwach. »Nein«, lachte Oxana, »und impotent auch nicht. Impotente Krimiautoren nennt man Literaten, so wie kastrierte Pferde Wallache.«
    Die angesagte Wirtschaft Plötzler war mit angesagten Menschen zugestopft. Wir erkannten prominente Landespolitiker, die bei »Brühe a la maison« die Gemeinheiten der nächsten Landtagssitzung absprachen. Nenn mich einen Lügner, dann nenn ich dich einen Ehrabschneider und hab noch einen Vollidioten für die übernächste Sitzung gut. Wir ergatterten zwei schmale freie Plätze zwischen einer, nun ja, Fernsehansagerin und einem Sparkassendirektor mit dem richtigen Parteibuch, bestellten mexikanisches Bier – angesagt, also gab es kein anderes –, Oxana legte ihren Kopf an meine Schulter und flüsterte mir ins umgehend erigierende Ohr: »Und jetzt rate mal, wo Bruggink bis vor zwei Jahren Honorarkonsul war.«
    Ich öffnete nur den durstigen Mund und wartete auf die Auflösung. »Osterinseln«, flüsterte Oxana weiter, »klingelt etwas bei dir?«
    Es klingelte nichts, nicht einmal das Ohr. Nur ein Plüschosterhase quatschte einen blödsinnigen Satz, ich quatschte ein blödsinniges »Oh!« und der Sparkassendirektor quatschte, an unseren Vorderfronten mit reichlich Volumen vorbei die Fernsehansagerin voll. »Wollen wir ergebnisoffen poppen?« Die Dame verstand es nicht, Oxana, menschenfreundlich halt, wiederholte es ihr. Mich ging das nichts an. Ich brachte Osterinseln und Osterhasen in einen logischen Zusammenhang, verwarf ihn, Oxanas Mund schien noch immer an meinem Ohr zu hängen, jedenfalls glaubte ich ihn zu spüren, und dann wehte es wieder durch die Härchen, der Hammer hieb zärtlich auf den Ambos. »Und jetzt rate mal, was in der Plastiktüte war, die dieser Honig dabei hatte.«

110
    Was für ein 28. Dezember! Was für ein Morgen! Ich erwachte, weil das Telefon geklingelt hatte, nicht in Wirklichkeit, sondern in einem wilden Traum, der kein Traum gewesen war, sondern ein zweistündiger Dokumentarfilm über atemberaubende Langeweile in einer angesagten Kneipe, als mir Oxana ins Ohr flüsterte und über unsere Köpfe hinweg heftig geflirtet wurde, als wir mexikanisches Bier tranken und

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