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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Ekel einmal abgesehen. Das Pärchen, das keines war, stieg in Honigs Wagen, wieder öffnete sich das Tor und weg waren sie.
    Ich tat nun das, was jeder an meiner Stelle getan hätte und was ich schon längst hätte tun sollen: Ich entleerte mich in die Weinflasche. Es war eine durchaus artistische Leistung und ich durfte dabei weder an Hermine noch an Oxana denken, man weiß schon warum, die alte Geschichte mit den Röhren, die ineinander passen müssen. Die sauber wiederverkorkte Flasche verstaute ich im Kofferraum, nicht ohne einen PostIt-Zettel daran zu befestigen: »Herrn Marxer mit vorzüglicher Hochachtung«. Er war ein miserabler Weinkenner und die Chance, dass es ihm munden würde, stand gut. Der Mann trank auch deutsche Rotweine mit Genuss, also.
    Jürgen hatte seinen Job erledigt und rauschte von dannen, wahrscheinlich, um daheim einen Krimi zu lesen. Ich hingegen fühlte mich wie das siebzehnjährige Mädchen von vorhin, ich langweilte mich, selbst das Internet bot keinen Trost. Das Leben, hat ein kluger Mann einmal gesagt, findet seinen Sinn darin, die Wartezeiten zwischen den Langeweilen unterhaltsam zu überbrücken. Mochte stimmen. Ich überbrückte sie mit Langeweile.

108
    Inzwischen war, seit Oxana mich verlassen hatte, eine gute Stunde vergangen. Ich fühlte mich körperlich erleichtert, innerlich aber immer schwerer, um nicht zu sagen schwermütiger, ich machte mir Sorgen. Sie konnte doch nicht gewusst haben, was sie bei diesem Konsul Bruggink erwartete, oder? Das »oder« strich ich. Nein, sie hatte es nicht wissen können. Sie hatte etwas riskiert und vielleicht gewonnen oder verloren.
    Das hieß aber auch: Sie war möglicherweise in Gefahr und ich Feigling hockte im eiskalten Wagen, bibberte und hörte meine Zähne klappern, was mir wenigstens das Einschalten des Radios ersparte. Einige der Karossen waren mitsamt ihren Lenkern – wohlbeleibte befrackte Männer – und deren Begleitung – wohl beliebte gewrackte Frauen – schon weggefahren, das gemütliche Beisammensein bei gesunden Nahrungsmitteln, teuren Getränken und Gesprächen aus dem intellektuellen Discountersegment schien ein Ende zu nehmen, es war kurz vor Mitternacht, morgen musste wieder für den Aufschwung gerödelt werden.
    Ich brauchte mich nicht kritisch zu mustern um zu wissen, dass mein Aufzug den gesellschaftlichen Anforderungen im Inneren der Villa kaum genügen dürfte. Meine beste Jeans, das wohl, es war auch die einzige, die jemals gebügelt worden war. Und es war noch nicht so lange her wie das Ereignis, das meine Schuhe putzen nennen würden, wäre es ihnen denn bekannt.
    Ich stieg aus dem Wagen. Natürlich, um auf direktem Wege die Villa zu entern – keine Ahnung, wie man das Tor überlisten könnte – und Oxana aus was auch immer zu befreien. Dann aber doch, weil es angenehmer war, auf und ab zu laufen als im Wagen sitzend zu erfrieren. Wenigstens hatte ich mir vorge nommen, wenn kein Auto mehr im Innenhof des Brugginkschen Anwesens parkte, zur Tat zu schreiten. Zu welcher auch immer.
    Soweit ich weiß, gibt es keine Kirche in Neugermanich, was mir den Ort aber nur um winzigste Nuancen sympathischer machte. Jetzt aber, Punkt Mitternacht, schlug eine Kirchturmuhr sonor zwölfmal die Stunde und das Portal der Brugginkschen Villa öffnete sich, um das finale Gespenst zu entlassen, das im letzten noch geparkten Wagen – fängt mit P an und hört mit orsche auf – zurück in seine Gruft gondeln würde.
    Ins Freie trat ein imposanter Herr mit breiter Ordensbrust und igligem grauen Haarkranz, in einem Smoking, dessen Stoff für drei Normalgewichte gereicht hätte. Am Arm des Mannes hing, strahlend / graziös / schwer erotisch – Oxana. Man sprach nicht miteinander, man parlierte, die Wörter wiegten sich sanft auf Kicherwellen und am Porsche angelangt, drückte Oxana ihrem Armgeber einen Kuss auf die Wange. Kleines neckisches Wortgefecht, der Typ öffnete die Beifahrertür, schob Oxana mit einer Handbewegung imaginär hinein, doch Oxana schüttelte den Kopf, wies ihrerseits zum Tor, sagte etwas, ich glaubte das Wort »Chauffeur« zu verstehen, konnte mich aber auch täuschen.
    Chauffeur? In Ordnung. Ich öffnete die Fahrertür unseres Wagens, Oxana schritt, wie nur sie schreiten konnte, dem Tor zu, das sich bereits geräuschlos zu öffnen begann, der Porsche neben ihr im Schritttempo, immer noch tauschte man sich kichernd aus. »Nach Hause, James«, befahl die Kasachin, winkte ihrem Alten zu, der mich misstrauisch und

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