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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Oxana befreundet war, was wenigstens halbwegs plausibel machte, warum das widerspenstige Brugginkkind auch mich aufgenommen hatte. Sie durchforstete die Freundeslisten ihrer Freunde und schuf sich eine Gemeinde, 4.309 gehörten bereits dazu.
    Weil ich gerade dabei war, googelte ich die Osterinseln und erfuhr, sie gehörten politisch zu Chile, lägen ganz alleine im Pazifik und ihr nächster Nachbar sei Pitcairn, jene Insel, deren Bewohner größtenteils von den Meuterern der Bounty abstammen, was einen gewissen Kriminalitätsbezug herstellte, mir aber auch nicht weiterhalf, zumal der Abstand zwischen diesen Nachbarn 2078 Kilometer beträgt, eine Distanz, die manch ein ertappter Betrüger gerne zwischen sich und seinen Mitmenschen sähe. Bemerkenswerter, dass die Osterinsulaner als einzige im ganzen weiten Pazifik über eine eigene Schrift verfügten, die den schönen Namen Rongorongo trägt. Man liest von links nach rechts, die Tafel wird jedoch nach jeder Zeile um 180 Grad gedreht und überhaupt steht jede Zeile gesehen zu vorigen auf dem Kopf und die Schrift ist gegenläufig, man liest dann also von rechts nach links, wenn ich das richtig interpretierte. Ich kenne keinen Einwohner der Osterinseln persönlich, nahm aber sofort an, dass es sich um ein lustiges Völkchen handeln musste, wenn es ein solches Gewese um seine Schrift machte.
    Die spektakuläre Ermordung des Dr. Habicht war noch immer für breite Schlagzeilen in der regionalen Presse gut. Es wurde spekuliert, die Tat trage die Handschrift von abwechselnd der italienischen, der russischen, der chinesischen Mafia, bei dem Mann, welcher zum Zeitpunkt der Ermordung in unmittelbarer Nähe des Tatorts in Gesellschaft zweier Frauen beobachtet worden sei, handele es sich folglich möglicherweise um einen Italiener, einen Russen, einen Chinesen oder, es überraschte mich nicht, um einen »arabisch aussehenden Bärtigen«, für alle diese Variationen gab es Zeugen. Großmuschelbach jedenfalls, so vermeldete es eine Homestory, trauere maßlos um seinen Mitbürger, einen selbstlosen Arzt und guten Menschen, dessen man ewig gedenken wolle etcpp.
    Ich verabschiedete mich aus dem Internet, auch nicht viel schlauer als zuvor, sah aus dem Fenster, bemerkte nichts Besonderes, das Wetter war wie ich selbst am Grübeln, schwankte zwischen Sonne und Wolken, die Weihnachtsdekoration spannte sich noch über die Straße, was mir nur auffiel, weil sie, wenn die Wolken für Düsterkeit sorgten, noch immer am Stromnetz hing. Verschwendung, aber es kümmerte mich nicht. Ich zog mich langsam an und machte mich auf den Weg zu Hermine.

112
    »Heiß«, hauchte Laura und ihre Zahnspange funkelte wie der Sternenhimmel vor dem Zeitalter des Smog. Sie meinte damit nicht nur die Sahnetorte, von Hermine auf die Sekunde genau in der Mikrowelle erhitzt, jedenfalls außen. »Köstlich«, schleimte Borsig in Hochstimmung, hatte er doch soeben seinen Tausender einkassiert und fand das genauso heiß wie Laura.
    Es war, alles in allem, ein gutbürgerliches Beisammensein mit Kaffee und Kuchen, an einem nun endgültig trüben Nachmittag, ein loses Schnattern und Feilschen, gemütlich wie eine Bundestagsdebatte. Jonas kämpfte mit seiner Mutter um die Barauszahlung einer möglichst großen Tranche seines Tausenders, es ging um nichts Geringeres als die Liquidität der Spielhallenindustrie, um Binnennachfrage und Arbeitsplätze, doch Hermine, die Finanzministerin, blieb unbeugsam. Mehr als einen Hunderter bewilligte sie nicht, den Rest er hielt die Bank zur freundlichen Verschleuderung an den internationalen Finanzplätzen.
    Borsig spielte den Hinterbänkler und schwieg. Sein Schalkemützchen bewegte sich im Takt der Kaubewegungen seines Trägers, die Mimikry wurde perfekt, als dabei unwillkürlich entstehende Stirnfalten suggerierten, Borsig räsoniere justament über komplexe Sachthemen, die weit über so Triviales wie die Frage, wie er ein weiteres Stück Kuchen abbekommen könne, hinausgingen. Oxana verspätete sich. Und ich selbst? Ich dachte an Sonja Weber und ärgerte mich darüber.
    »Und jetzt?« Hermine sah mich erwartungsvoll an, auch Jonas hatte seine Bemühungen um mehr Bargeld aufgegeben und fügte ein »Genau« hinzu, während Borsig die Gelegenheit nutzte, sich einen weiteren Streifen Torte zu sichern und Laura überlegte, ob ein »cool« angemessener wäre als ein »heiß«, vielleicht zu dem Schluss kam, es sei Zeit für ein »lau« und lieber schwieg. »Ja und jetzt«, variierte ich

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