Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Gemüsehändler? Kriesling-Schönefärb wusste keine Antwort.
„Eine Sympathiekampagne. Sie können das doch, oder? Sie sind doch der Pressesprecher, oder? Die machen doch solche Sachen, oder? Die schauen doch, dass ihre Chefs gut dastehen in der Presse, oder? Geben Sie sich Mühe, oder.“ Kriesling-Schönefärb wollte ihm nicht sagen, dass hier alle Mühe umsonst sein würde. Er wollte es nicht riskieren, diesen mächtigen Mann weinen zu sehen. „Lecken Sie mich einfach am Arsch“, sagte es aus ihm und sogleich erschrak er über seine Worte. „Und Sie meinen, das kommt in der Bevölkerung gut an? Nun, wenn es denn sein muss.“
Er solle eine Rede halten, sagte Kriesling-Schönefärb ein wenig milder. Er solle irgendeinen Satz sagen. „Hab ich doch schon“, entgegnete der Präsident. „Den mit dem Islam, der... ich glaube zu Deutschland gehört. Oder war es zur EU?“ Der Pressesprecher seufzte. „Sagen Sie halt noch einen. Mein Gott, zwei Sätze, das ist doch nicht zuviel verlangt bei Ihrem Gehalt. Sagen Sie 'Ich trete zurück'. Schöner Satz, geht flüssig über die Lippen. Da ist nicht einmal ein Komma drin.“
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Wagner, Richard Wagner. Rheingold, die Oper da. Die Walküren, also die fetten Tussen. Die so komische Namen haben Die so im Rhein rumschwimmen und dabei singen, mehr schmettern jetzt. Mordsdrums von Frauen. Drei Stück, ne? Aber hey: Karl-Heinz hatte die Oper nie gesehen, konnte sich dennoch nicht vorstellen, dass diese Walküren etwas anderes waren als jämmerliche Leichtgewichte, wenn man sie mit dem verglich, was sich da gerade vor seinen Augen räkelte, nein, ausbreitete wie ein Fleischtsunami. Drei alte, fette Frauen. Über 45 Kilo, keine unter 15.
„Da guckste, alter Schwedenprinz“, gluckste Borsig hinter ihm. Und die Frau an seiner Seite, diese Uraltfregatte, ergänzte: „Das sind noch Weiber, was?“ Karl-Heinz verweigerte die Antwort. Ihm war die Luft weggeblieben, sein Körpergewicht hatte sich schlagartig um ein gutes Pfund reduziert. Sein Blick irrlichterte panisch über all die Berge und Täler bleichen Fleisches, verirrte sich in wilden Achselhöhlenwäldern wie weiland Hänsel und Gretel. Ein zutiefst sexualisiertes Märchen eben jenes übrigens, es geht um Pubertät, um die Mannwerdung Hänsels, der so lange im Käfig der Selbstbefriedigung eingesperrt bleibt, bis die Hexe seinen „kleinen Finger“ für groß genug erachtet. Erst dann kann sich das Weibliche im Feuer der Leidenschaften verzehren, von dieser lolitagleichen Zicke Gretel in den „Ofen“ gestoßen, die Mikrowelle der Lust...
An all das dachte Karl-Heinz in diesem Moment natürlich nicht. Er wusste das von Wagner und seinen wabernden Weibern, hatten sie mal in der Schule gehabt, weiter reichte seine kulturhistorische Bildung kaum. Jetzt winkte ihm der mittlere Berg des grausigen Frauengebirges zu. „Komm her“, hieß das. Er dachte nicht daran.
Umdrehen und abhauen. Mit diesem Zwerg im Morgenmantel würde er fertigwerden, er war ja schließlich ein strammer Schrotthändler und kein mickriger Künstler. „Komm nicht auf dumme Gedanken“, sagte der Zwerg in seinem Rücken. Etwas hieb gefährlich dumpf klatschend in eine Handfläche. „Das ist ein 1A-Totschläger, mein Freund, und ich weiß damit umzugehen. Also sei ein braver Jeck und tu was die Damen sagen. Mach dich nackig und leiste ihnen Gesellschaft.“
Das war jetzt nicht wirklich, oder? Das war ein Albtraum, das waren Albtraumgirls, das war Karneval, wie er nun einmal war, nur ehrlicher, ohne Täterä. „Na?“ Die Stimme der Alten. „Sollen die Damen kommen und dich holen? Sollen sie dir die Klamotten vom Leib reißen? Nancy?“
Die Nancy Gerufene wickelte ihre mächtigen Beine auseinander und erlaubte eine Aussicht, die Karl-Heinz mehrere Gänsehäute wie Zwiebelschalen auf den Rücken klatschte. Time to say goodbye, dachte Karl-Heinz, auch so ne Schnulze, aber steckt was Wahres drin. „Huhu“, höhnte es hinter ihm und wieder tanzte der Totschläger auf dem Handfläche, „ich zieh dir gleich nen Scheitel, da brauchst heute Abend bei der nächsten Kappensitzung keine Verkleidung mehr.“
Was tun? Hinter ihm ein Totschläger, vor ihm ein krasser Unfall von Frau, die jetzt aufstand, vom Podest runterkletterte, auf Karl-Heinz zukam. Immer näher, immer nackter, die hatte Poren wie Krater. Die anderen beiden Weiber streckten sich jetzt. Furchtbar das alles. Päderastie bedeutete halt, einen besonders guten Geschmack zu haben,
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