Die Ehre der Am'churi (German Edition)
lauschen. Nicht Teil ihrer Gemeinschaft sein, aber zumindest nicht vollkommen allein.
Ni’yo seufzte. Egal, wo er war, er war immer einsam, selbst inmitten der größten Menschenansammlung. Wenn wenigstens Jivvin da wäre, um mit ihm zu kämpfen! Nicht immer lief es auf ein Ehrenduell hinaus, oft genug bat Jivvin auch um einen einfachen Trainingskampf. Niemand sonst wagte so etwas.
Ni’yos Suche nach passenden Würzkräutern für das Rebhuhn hatte ihn nordwestlich geführt, der Tempel lag weit hinter ihm. Morgen früh musste er zurückkehren, sonst würde man ihn vermissen.
Vielleicht erlaubt mir Leruam, einige Wochen hier draußen zu bleiben. Ohne Jivvin ist sowieso niemand da, der mit mir kämpfen könnte, oder reden …
Wohin Jivvin wohl ziehen musste? Die Täler von Rukay waren nicht weit entfernt, aber vermutlich war die Karawane von dort aufgebrochen, statt auf dem Heimweg. Es konnte Monate dauern, bis sein Feind zurückkehrte.
Wahrlich trübe Aussichten!
Plötzlich hörte er etwas. Schreie? Rief da jemand? Ni’yo setzte sich hastig auf, durchdrang die Dunkelheit der Nacht mit allen Sinnen. Da, wieder trug ein Windhauch etwas mit sich, das wie Kampflärm klang, sehr, sehr weit entfernt.
Ohne zu zögern löschte Ni’yo das Feuer und rannte los, in Richtung Norden.
Jivvin kämpfte auf verlorenem Posten, und er wusste es. Von überall her waren die Gegner gekommen. Hätte er nicht auf Ni’yos Warnung und sein eigenes unbehagliches Gefühl gehört, wäre er ihnen schlafend in die Hände gefallen. So aber konnte er zumindest als Krieger sterben! Der Hass auf die Händler hielt ihn aufrecht, während er sich gegen über zwanzig Schattenelfen zur Wehr setzte, jeder von ihnen mit zwei Krummsäbeln bewaffnet und durchaus fähig, diese zu nutzen. Kim’le und seine Männer waren wohl tatsächlich nichts weiter als harmlose Händler, die sich für einen hohen Preis bereit erklärt hatten, einen Am’churi in ihre Dienste zu locken, hierher zu führen und dann schleunigst das Weite zu suchen. Im Moment war es Jivvin gleichgültig, sie hatten ihn verraten, und das brachte sein Blut zum Kochen.
Er stand mit dem Rücken an einen Baumstamm gepresst, versuchte unentwegt, eine Lücke in die Mauer seiner Feinde zu schlagen, um entkommen zu können. Sein Körper war verwandelt, Schuppen überzogen seine Haut, die Finger waren zu tödlichen Klauen geworden. Er wünschte, er könnte sich Flügel wachsen lassen, wie einige seiner Waffenbrüder, doch das war ihm nicht gegeben. Die Elfen wichen seinen tödlichen Hieben aus, er sah ihre feindseligen, wunderschönen Gesichter, hörte, wie sie ihn hasserfüllt in ihrer eigenen Sprache verfluchten. Ein zorniger Am’churi war durch Kampfkraft allein nicht zu bezwingen, aber die Kalesh waren nicht auf Waffen oder Geschick angewiesen. Wann immer sie sich im Schatten befanden, konnten sie ihre Körper willentlich entstofflichen. Immer wieder fuhr Jivvins Chi’a durch Schattenleiber, ohne auf Widerstand zu stoßen, musste sich in die Defensive drängen lassen, wenn plötzlich aus dem Nichts Säbel oder Dolche auf ihn niederfuhren, diese nur allzu stofflich und wahrhaftig. Er kämpfte um sein Leben, erfüllt vom Zorn des Drachen. Sein Schwert fraß sich durch Arme und die Körper jener, die ihm unvorsichtig zu nahe kamen. Doch egal, wie viele er tötete oder verwundete, es schienen immer neue Feinde nachzurücken. Jivvin war verletzt, blutete aus zahllosen Schnitten. Seine Bewegungen wurden langsamer. Nicht mehr lange, und der Kampf war entschieden.
Lass dich nicht lebend von ihnen fangen!, dachte er, während er instinktiv einem mörderischen Hieb gegen seine Brust auswich, rasch mehrere Attacken gleichzeitig parierte, trotzdem einen Treffer gegen das rechte Bein hinnehmen musste.
Am’chur verbrenne euch alle!
Er konnte sie nicht besiegen, die verfluchten Schattenwandler. Er konnte nicht fliehen. Jivvin wappnete sich kurz und suchte sich seinen Mörder aus: ein gewandter Krieger, der ihn schon die ganze Zeit mit seinen Säbeln in höchste Bedrängnis brachte. Er gab die Deckung auf, warf sich den Klingen entgegen, die seinen Leib zerfetzen und durchbohren würden – aber da traf ihn ein harter Schlag im Nacken. Der Am’churi stürzte zu Boden, bewegungsunfähig, nur noch halb bei Bewusstsein.
„Süße Träume, Drachenbrut“, zischte eine höhnische Stimme aus unendlicher Ferne. Dann wusste Jivvin nichts mehr.
7.
Es dämmerte bereits, als Ni’yo endlich den Ort
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