Die Ehre der Am'churi (German Edition)
Ni’yo an seiner Seite. Sehr langsam kam er zu ihm, half mit, die Decken neu auszubreiten und legte sich schließlich mit dem Rücken an Jivvins Bauch. Beide waren sie verkrampft, wagten kaum zu atmen, um den anderen nicht zu stören. Schließlich aber fand zumindest Ni’yo zur Ruhe, entspannte sich und schlief ein. Jivvin hingegen blieb weiterhin wach. Der warme Körper, der so vertrauensvoll an den seinen gedrückt war, weckte mit Macht all das dunkle Verlangen, die Sehnsucht, die ihn seit Beginn ihrer Schicksalsgemeinschaft so sehr quälte. Zögernd hob er den Arm, legte ihn auf Ni’yos Hüfte. Der junge Mann rührte sich nicht, war offenbar wieder in tiefen Heilschlaf versunken, aus dem ihn so schnell nichts aufrütteln würde. Beinahe wie von selbst glitt Jivvins Hand weiter, suchte sich ihren Weg unter Ni’yos Hemd. Die glatten, starken Muskeln zu spüren, die warme Haut, brachte ihn schier um den Verstand. Behutsam drängte er sich noch näher an seinen Gefährten heran, zog ihn sanft zu sich, bis er seinen gefesselten Arm unter Ni’yos Kopf gelagert hatte. Er wusste, wie gefährlich es war, was er hier wagte. Ni’yo war nicht so tödlich erschöpft wie in der Höhle, als es beinahe nichts gegeben hatte, was ihn aufwecken konnte. Er schlief sehr tief, doch eine einzige falsche Berührung, und er würde wissen, wie viel Jivvins heilige Versprechen wert waren.
Hör auf! Den einen Angriff hat er dir vergeben, der sein Leben rettete. Wie du ihn deine Begierde hast spüren lassen, das hat er hingenommen, vielleicht im Glauben, du wolltest ihn nur ein bisschen erschrecken. Wenn er dich jetzt erwischt…
Doch er konnte nicht aufhören. Längst hatten seine Hände einen eigenen Willen entwickelt, gelenkt von Sehnsucht und Begehren, die seinem Verstand nicht gehorchen wollten. Er streichelte über die muskulöse Brust, genoss den ruhigen Herzschlag unter seiner Hand, der ihm versicherte, dass alles gut war, fühlte die langsamen, tiefen Atemzügen. Seine gefesselte Linke liebkoste Ni’yos Stirn und Kopf, spielte mit dem weichen Haar. Tief sog er den Duft seines Gefährten in sich ein, der nach Wald roch, Heilkräutern, feuchter Wolle und eben nach Ni’yo. Gerade noch konnte Jivvin ein qualvolles Stöhnen unterdrücken. Er sehnte sich nach mehr, so viel mehr!
Ich hätte erfrieren sollen, dann wäre wenigstens meine Ehre gewahrt geblieben, und die seine. Am’chur, erlöse mich! Ich kann ihn nicht für den Rest der Nacht halten und mich dabei beherrschen, nimm diesen Fluch von mir! Ihn zu hassen war einfach, das hat niemanden gestört … Warum nur ist es jederzeit gestattet, ihn zu foltern und zu töten, aber ihn zu lieben eine nicht wieder gutzumachende Schande?
Er verdrängte diese dummen Gedanken, die nur sein Selbstmitleid bewiesen. Würde Ni’yo ihn ebenfalls lieben oder wenigstens die Begierde teilen, wäre es keine Schande oder Entehrung.
Liebe? Was für ein Unsinn, ich hasse ihn doch! Ja, ich begehre ihn, seinen Körper, aber das ist doch keine Liebe!
Verzweifelt kämpfte er um seinen Verstand, seine Selbstbeherrschung. Um die Kontrolle über seine Hände, die andächtig über Ni’yos wunderbaren Leib streichelten, suchten, erkundeten.
Er vertraut dir! Nur deshalb ist er zu dir gekommen, weil er dir vertraut! Weil du es ihm geschworen hast, weil du ihn seit Tagen durch die Lande trägst, ihn wie einen Bruder berührst und versorgst. Mach es nicht zunichte, wahre deine Ehre, Am’churi!
Mit aller Kraft hielt Jivvin sich davon ab, unter Ni’yos Hosenbund zu gleiten, zwang seine Hände zurück nach oben.
Nur noch ein einziges Mal. Noch einmal will ich ihn spüren, dann lasse ich ihn los, beschwor er sich selbst. Bedauernd strich er über den Rippenbogen, folgte den sanften Wölbungen des Oberkörpers, fühlte, wie sich die Brustwarzen unter seiner Berührung zusammenzogen. So sehr war er mit seinen Gedanken und dem Bedauern beschäftigt, dass er den Moment versäumte, als es geschah. Er wusste nur auf einmal, es war zu spät.
Ni’yo versteifte sich in seinen Armen, alle Muskeln spannten sich gleichzeitig an. Sein Herz raste wie wild unter Jivvins Fingern, er schnappte hastig nach Luft, hielt dann den Atem an. Seine Panik war offenkundig. Ni’yo war erwacht und fand sich in seinem Alptraum wieder, der dabei war, Wirklichkeit zu werden.
Verloren, Jivvin. Es ist vorbei. Wenn er den Schock überwunden hat, wird er dich töten. Du hast deinen heiligen Eid gebrochen, du hast dich selbst und ihn
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