Die Ehre der Königin
wunderbarer Weise wechselhaft. Ihr fielen die Augen zu, Nimitz’ Schnurren wurde zum leisen, liebevollen Abendlied im Hintergrund ihres Bewußtseins.
Captain Honor Harrington regte sich nicht einmal im Schlaf, als Chefsteward MacGuiness auf Zehenspitzen ins Arbeitszimmer geschlichen kam und eine Decke über sie breitete. Einen Moment lang blieb er neben ihr stehen und lächelte auf sie hinab, dann verließ er den Raum so leise, wie er ihn betreten hatte. Hinter ihm erloschen die Kabinenlampen, und Dunkelheit senkte sich herab.
3.
Tischtücher leuchteten in frischem Weiß, Silberbesteck und Porzellan glänzten, Stimmengemurmel füllte den Raum. Die Stewards räumten den Nachtisch ab. MacGuiness umschifft leise den Tisch und schenkte persönlich Wein aus. Honor hielt ihr Glas hoch und betrachtete das Funkeln in dessen rubinrotem Herzen.
Die Fearless war ein junges Schiff, einer der neuesten und kampfkräftigsten Schweren Kreuzer der Royal Manticoran Navy. Kreuzer der Star-Knight -Klasse dienten oft als Geschwader- oder Flottillenflaggschiffe, und BuShips mußte dies beim Entwurf der Unterkünfte berücksichtigt haben. Admiral Courvosiers Flaggkabine war noch großzügiger als Honors, und der Salon der Kommandantin war nach Navystandards geradezu riesig. Er war zwar nicht groß genug, um allen Offizieren Honors Platz zu bieten – ein Schwerer Kreuzer war immer noch ein Kriegsschiff, und kein Kriegsschiff konnte sich leisten, Masse zu verschwenden –, aber er war geräumig genug, um alle Ressortoffiziere und Courvosiers Delegation unterzubringen.
Als MacGuiness mit dem Ausschenken des Weins fertig war, ließ Honor den Blick über die Runde am langen Tisch schweifen. Der Admiral, der seinem neuen Status entsprechend die Uniform gegen formelle Zivilkleidung eingetauscht hatte, saß zu ihrer Rechten. Andreas Venizelos saß Courvosier zu Honors Linken gegenüber; von da an besetzten Honors Gäste die Plätze in der Reihenfolge absteigender, sowohl militärischer als auch ziviler Dienstgrade und Dienstalter, bis hin zu Ensign Carolyn Wolcott am Fuß der Tafel. Es war Wolcotts erste Fahrt nach Abschluß der Akademie, und sie wirkte ein wenig wie ein Schulmädchen, das in die Uniform ihrer Mutter geschlüpft war. Heute abend dinierte sie zum ersten Mal mit ihrer neuen Kommandantin, und ihre Anspannung ließ sich an ihren übermäßig korrekten Tischmanieren deutlich ablesen. Die Philosophie der RMN lautete, daß Offiziere die Ausübung ihrer Pflichten, ob sozial oder beruflich, nur an einem Ort erlernen könnten – im All. Honor suchte und fand den Blick des Ensigns und berührte die Seite des eigenen Glases.
Wolcott errötete, weil sie an ihre Pflichten als jüngster anwesender Subalternoffizier erst erinnert werden mußte, und stand auf. Die anderen Gäste verstummten. Wolcott straffte den Rücken, als aller Augen sich auf sie richteten.
»Ladys und Gentlemen« – sie hob das Weinglas, und ihre Stimme war tiefer und melodischer – und selbstsicherer –, als Honor erwartet hatte –, »auf die Königin!«
»Auf die Königin!« erklang die Antwort. Gläser wurden erhoben, und Wolcott ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken. Deutlich war ihr die Erleichterung darüber anzumerken, daß sie die Formalität überstanden hatte. Quer über den Tisch hinweg schaute sie auf die Kommandantin, und als sie Honors anerkennende Miene bemerkte, entspannte sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht.
»Wissen Sie«, murmelte Courvosier Honor ins Ohr, »ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie ich das zum ersten Mal tun. mußte. Erstaunlich, wie furchtbar es sein kann, nicht wahr?«
»Alles ist relativ, Sir«, antwortete Honor grinsend, »und ich nehme an, es hat uns nur gutgetan. Waren Sie es nicht, der mir sagte, Offiziere der Königin müßten sich mit der Diplomatie ebenso auskennen wie mit Taktik?«
»Nun, Captain, das ist ein wahres Wort«, warf eine andere Stimme ein, und Honor unterdrückte eine Grimasse. »Tatsächlich wünschte ich mir, mehr Navyoffiziere wären in der Lage einzusehen, daß Diplomatie sogar wichtiger ist als Strategie und Taktik«, fuhr der Ehrenwerte Reginald Houseman in seinem tiefen, kultivierten Bariton fort.
»Ich fürchte, dem kann ich nicht ganz zustimmen, Sir«, widersprach Honor ruhig und hoffte, daß ihr die Verärgerung über seine Einmischung in ein Privatgespräch nicht anzumerken sei. »Zumindest nicht vom Standpunkt der Navy aus. Selbstverständlich wichtig, aber unsere Aufgabe
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