Die Ehre der Königin
sagten sie, es wäre doch wirklich nett von unserem Kommandanten, ihnen seine … Huren zu überlassen.«
Dann verebbte ihre dünne Stimme, und Honor ließ sie vorsichtig auf die Tragbahre sinken. Sie beugte sich vor, um sie auf die schmutzige, wunde Stirn zu küssen, steckte die schlaffe Hand des Ensigns unter die Decke und erhob sich.
»Kümmern Sie sich um sie«, befahl sie der Chefsanitäterin. Die Frau nickte.
Das Gesicht der Marineinfanteristin zeigte ebenfalls Tränenspuren.
Honor nickte zurück, dann wandte sie sich der Zellentür zu und trat auf den Korridor. Draußen zog sie ihre Pistole und überprüfte das Magazin.
Major Ramirez sah auf, als Captain Harrington wieder an die Korridorbiegung kam.
»Captain, was soll ich …?«
Sie schritt an ihm vorbei, als hätte er kein Wort gesagt. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos, nur der rechte Mundwinkel zuckte heftig. Sie hatte eine Pistole in der Hand.
»Captain? Captain Harrington!«
Er griff nach ihrem Arm, und endlich blieb sie stehen und sah ihn an.
»Gehen Sie mir aus dem Weg, Major.« Jedes Wort war trotz ihres verletzten Mundes präzise und perfekt geformt. »Säubern Sie diese Sektion. Finden Sie die Madrigals. Bringen Sie sie hier raus.«
»Aber …«
»Sie haben Ihre Befehle, Major«, schnitt sie ihm mit stahlharter, kalter Stimme das Wort ab und befreite den Arm aus seinem Griff. Sie machte sich wieder auf den Weg den Korridor entlang, und er sah ihr hilflos hinterher.
Sie blickte nicht auf, als sie die Marines erreichte, die im Gang standen. Sie schritt einfach weiter, und die Soldaten sprangen ihr wie verängstigte Kinder aus dem Weg. Sergeant Talons Trupp wollte ihr folgen, doch sie winkte sie mit einer wilden, abgehackten Handbewegung zurück und ging alleine weiter.
Lieutenant Tremaine starrte ihr nach und biß sich auf die Lippe. Er hatte mittlerweile von den Marines erfahren, was sie entdeckt hatten. Zuerst hatte er es nicht geglaubt – hatte sich geweigert, es zu glauben –, dann hatten die Sanis Commander Brigham auf der Bahre an ihm vorbeigetragen. Dann hatte er es geglaubt, und der Zorn der Marines war neben seiner Wut verblaßt, denn er kannte Mercedes Brigham gut. Sehr gut sogar.
Captain Harrington hatte gesagt, sie wolle allein sein. Sie hatte allen befohlen, sie allein zu lassen. Scotty Tremaine aber hatte ihre Miene gesehen.
Sie bog um eine Korridorecke, und Tremaines Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. Er lehnte den Plasmakarabiner an die Wand und eilte ihr hinterher.
Honor stieg die schuttübersäten Stufen hoch und ignorierte das angestrengte Atmen von wer-auch-immer-ihr-nachhetzte. Das spielte keine Rolle. Nichts spielte noch eine Rolle. Sie hastete die Stufen hoch, die langen Beine und die geringe Schwerkraft ausnutzend, drängte sie sich gelegentlich an einem Marine vorbei, lief gelegentlich durch eine Lache masadanischen Bluts, und ihr Auge funkelte wie geschmolzener Stahl.
Sie erreichte den letzten Korridor, folgte ihm, den Blick fixiert auf die offene Tür des Kasinos. Von hinten rief jemand sie an. Die Stimme war fern und unwirklich, fast immateriell, und sie ignorierte sie und betrat den überfüllten Raum.
Ein Offizier der Marines salutierte und zuckte erschrocken vor ihr zurück, und sie ging an ihm vorbei, als existierte er nicht. Suchend schweifte ihr Blick über die Reihen der Gefangenen, suchte nach einem bestimmten Gesicht und fand es.
Captain Williams blickte auf, als könnte er ihren Haß spüren, und erbleichte. Sie schritt auf ihn zu, stieß Leute, die ihr im Weg standen, beiseite, und die Stimme, die ihren Namen rief, war noch lauter als vorhin. Ihr Besitzer mußte sich hinter ihr durch die Menschenmenge drängen.
Williams versuchte, sich davonzuschieben, doch ihre linke Hand packte ihn beim Haar, und er schrie, als sie seinen Kopf gegen die Wand knallte. Sein Mund arbeitete und stieß Worte hervor, die anzuhören sie sich nicht die Mühe machte. Ihre rechte Hand preßte ihm die Pistolenmündung gegen die Stirn und der Zeigefinger krümmte sich um den Abzug.
Die Hände von jemand anderem umklammerten ihren Unterarm und preßten verzweifelt dagegen. Die scharfe, peitschende Explosion eines Pulserbolzens schlug eine Vertiefung in die Decke, nachdem die Pistole aufgejault hatte. Sie zerrte an den Händen an ihrem Arm und versuchte ihren Besitzer, wer auch immer es war, zu Boden zu schleudern. Doch verzweifelt klammerten sich diese Hände an sie, und jemand schrie ihr ins
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