Die Ehre der MacKenzies (German Edition)
mehr. „Sie … sie haben mich angetatscht, mir wehgetan, mich gedemütigt. Aber sie haben mich nicht vergewaltigt. Das hatten sie sich für heute aufgespart. Irgendein wichtiger Mann sollte heute ankommen, wahrscheinlich hatten sie eine … eine kleine Party im Sinn.“
Zanes Gesicht blieb ausdruckslos. Barrie wusste, er glaubte ihr nicht. Warum sollte er auch? Er hatte sie nackt und gefesselt vorgefunden, als sie schon fast einen ganzen Tag in den Händen der Entführer gewesen war. Dass niemand sie vergewaltigt hatte, hatte nichts mit Ritterlichkeit zu tun, sondern war nur auf den eindeutigen Befehl des Bandenkopfes zurückzuführen. Er wollte sich zuerst mit ihr vergnügen, bevor er sie den anderen überließ.
Während Barrie sich angelegentlich damit beschäftigte, sich notdürftig zu säubern, erkundete Zane den Raum. Lange dauerte es nicht, hier gab es nichts zu erkunden. Es war absolut leer. Zane verschloss die zersplitterten Fensterläden. Der obere Rand war halb vermodert, sodass etwas Licht hereinfiel, aber niemand von außen hereinsehen konnte. Das aufkommende Tageslicht so ausgeschlossen, schien dieser Raum wie eine sichere, dunkle Höhle. Barrie unterdrückte ein Gähnen und kämpfte gegen die bleierne Müdigkeit. Selbst das Hungergefühl war nichts im Vergleich zu der unendlichen Erschöpfung.
Zane sah es. Ihm entging nichts. „Warum schlafen Sie nicht ein wenig?“, schlug er vor. „In ein paar Stunden, wenn die Straßen belebt sind und ich nicht mehr auffalle, werde ich uns etwas zu essen besorgen. Und irgendwo werde ich auch ein paar Kleider für Sie organisieren.“
Barrie beäugte die dunkle Bemalung auf seinem Gesicht. „Mit dem Make-up werden Sie niemals unbemerkt durch die Straßen laufen können.“
Das flüchtige Lächeln kam kurz zurück. „Ich werde mich vorher abschminken.“
Dieses Lächeln hätte fast ihre Lebensgeister geweckt.
Fast. Barrie fühlte, wie ihre Muskeln die Anstrengung nicht mehr aushielten und erschlafften, so, als hätte ihr Körper nur die Aufforderung gebraucht, endlich den Kampf gegen den Schlaf aufzugeben. Sie konnte die Lider nicht mehr offenhalten. Mit einem letzten Funken Bewusstsein fühlte sie Zanes Arme um sich, wie er ihr half, sich hinzulegen, bevor sie niedersank.
4. KAPITEL
S ie war eingeschlafen wie ein Baby. Zane hatte es oft bei seinen Neffen gesehen. Kinder besaßen die Fähigkeit, von einer Sekunde auf die andere einzunicken und sich voller Vertrauen in wartende Arme fallen zu lassen.
Sein Blick glitt über Barries Ge sicht. Im heraufziehenden Tageslicht erkannte er die Zeichen der absoluten körperlichen Verausgabung auf ihrer Miene. Erstaunlich, dass sie bis jetzt durchgehalten hatte.
Er selbst konnte auch eine Pause gebrauchen. Er streckte sich neben Barrie aus, sorgsam darauf achtend, ihr nicht zu nahe zu kommen, aber nahe genug, damit er sie nötigenfalls sofort packen konnte, sollte das Versteck entdeckt werden. Er war zu angespannt, um zu schlafen, Adrenalin pulste durch seine Adern. Dennoch fühlte es sich gut an, einfach ruhig zu liegen und darauf zu warten, dass die Stadt zu neuem Leben erwachte.
Mit der einkehrenden Helligkeit konnte er das Feuer in Barries Haar erkennen, den roten Schimmer, der, wenn die Sonne darauf fiel, mit Gold- und Bronzetönen aufleuchten würde. Barries Augen waren grün, ein tiefes, warmes Grün, Brauen und Wimpern hatten die Farbe braunen Nerzes. Es hätte Zane nicht überrascht, wäre ihre Haut mit Sommersprossen übersät, aber ihr Teint war nur klar und hell. Abgesehen von dem hässlichen Hämatom, das eine Wange verunzierte. Ihre Arme waren auch voller blauer Flecke, Zanes Hemd verdeckte andere Spuren, die die brutalen Kerle zurückgelassen hatten. Sie hatte zwar behauptet, man habe sie nicht vergewaltigt, aber wahrscheinlich konnte sie die Scham einfach nicht ertragen. Niemand sollte es wissen, vor allem ihr Vater wohl nicht. Zane kümmerten die Gründe nicht, er hoffte nur, dass Barrie bei ihrer Rückkehr medizinische Hilfe in Anspruch nahm.
Einen Moment lang dachte er darüber nach, zurück zu dem Gebäude zu schlüpfen, in dem sie sie gefangen gehalten hatten, und jeden einzelnen dieser Bastarde umzubringen. Sie hatten es verdient. Doch seine Aufgabe war es, Miss Lovejoy – Barrie – zu retten, und er war noch nicht fertig damit. Wenn er zurückginge, würde er möglicherweise sein Leben lassen, und das würde Barrie und seine Männer erneut in Gefahr bringen. Zane hatte schon vor langer
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