Die Ehre der MacKenzies (German Edition)
Barries Vater sprang heraus und stürzte, alle Etikette vergessend, auf sie zu.
„Barrie!“ Zwei lange Tage voller Sorge und Angst hatten Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, doch jetzt war nur noch endlose Erleichterung zu erkennen, als er seine Tochter in die Arme schloss.
Barrie begann wieder zu weinen. Vielleicht hatte sie auch gar nicht aufgehört, sie wusste es nicht. Sie barg das Gesicht an der Schulter ihres Vaters und klammerte sich verzweifelt an ihn. „Ich muss zurück“, schluchzte sie, die Worte kaum verständlich.
Er hielt sie noch enger an sich gedrückt. „Du bist wieder in Sicherheit, Liebes. Ich schwöre, ich werde nie wieder zulassen, dass dir etwas zustößt. Komm, lass uns nach Hause …“
„Nein!“ Sie schüttelte wild den Kopf. „Ich muss auf die Montgomery zurück. Zane …, er ist angeschossen worden. Vielleicht stirbt er. Großer Gott, ich muss zurück! Jetzt!“
„Alles wird wieder gut, Liebes“, versuchte er sie zu beruhigen. „Der Doktor erwartet dich bereits, er wird …“
„Ich brauche keinen Arzt!“ Mit einem Ruck machte Barrie sich aus den Armen ihres Vaters frei. Noch nie hatte sie sich aus seiner Umarmung zurückgezogen, schockiert blickte er sie an. Sie strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht. Seit zwei Tagen hatte sie sich nicht mehr kämmen können, ihr Haar war verfilzt und schmutzig. „So hör mir doch zu! Der Mann, der mich gerettet hat, wurde angeschossen. Er könnte sterben. Er wurde gerade operiert, als Major Hodson mich in dieses Flugzeug geschleift hat. Ich muss zurück auf das Schiff. Ich muss wissen, wie es Zane geht.“
William Lovejoy legte seiner Tochter den Arm fest um die Schultern und führte sie zu der wartenden Limousine. „Du musst nicht auf das Schiff zurück, Liebes“, tröstete er. „Ich werde Admiral Lindley bitten herauszufinden, wie es dem Mann geht. Ich nehme an, er gehört zu der SEAL-Einheit?“
Barrie nickte dumpf.
„Du siehst doch sicher selbst, wie unsinnig es wäre, auf den Flugzeugträger zurückzukehren. Sollte der Mann die Operation überleben, werden sie ihn sofort in ein Militärkrankenhaus verlegen.“
Sollte er überleben. Die Worte schnitten Barrie wie ein Messer ins Herz. Sie ballte die Fäuste, jeder Nerv in ihrem Körper schrie danach, die Logik zu ignorieren und jeden Trost abzuweisen. Sie musste zu Zane.
Drei Tage später stand Barrie im Arbeitszimmer ihres Vaters, mit gerecktem Kinn und einer Eiseskälte im Blick, wie William Lovejoy sie noch nie gesehen hatte.
„Du hast Admiral Lindley instruiert, mich abzuwimmeln.“
Der Botschafter nahm seufzend seine Brille ab und legte sie behutsam auf den mit Intarsien verzierten Schreibtisch aus Walnussholz. „Barrie, in deinem bisherigen Leben habe ich dir nur selten einen Wunsch verwehrt. Aber was diesen Mann angeht, zeigst du eine sonderbare Unvernunft. Du bist informiert worden, dass er sich auf dem Weg der Besserung befindet, und mehr brauchst du auch nicht zu wissen. Welchen Sinn sollte es haben, an sein Krankenbett zu eilen? Die Klatschpresse könnte es herausfinden, man würde deine qualvolle Odyssee in sämtlichen Blättern bringen.“
„Meine Odyssee?“, wiederholte sie grimmig. „Und was ist mit ihm? Er wäre fast gestorben! Wenn man überhaupt davon ausgehen darf, dass der Admiral mir die Wahrheit gesagt hat und Zane noch lebt!“
„Natürlich lebt er noch. Ich habe Joshua lediglich darum gebeten, dir den Aufenthaltsort dieses Mannes zu verschweigen.“ William Lovejoy erhob sich, kam um den Schreibtisch herum und lehnte sich an die Kante, um Barries Hände in seine zu nehmen. „Liebes, gib dir selbst ein wenig Zeit, um das Trauma zu verarbeiten. Mir ist klar, dass du diesen … diesen Guerillakämpfer mit allen möglichen heroischen Eigenschaften belegst, das ist nur natürlich. Nach einer Weile, wenn alles wieder in die richtige Perspektive gerückt ist, wirst du froh sein, dass du dich nicht selbst in die peinliche Situation gebracht hast und ihm nachgelaufen bist.“
Es war ihr fast unmöglich, die Wut, die in ihr aufbrodelte, unter Kontrolle zu halten. Niemand wollte ihr zuhören. Alle redeten ständig darüber, was sie durchgemacht hatte, dass sie mit der Zeit alles vergessen würde. Immer wieder hatte Barrie beteuert, nicht vergewaltigt worden zu sein, hatte sich allerdings auch geweigert, sich von einem Gynäkologen untersuchen zu lassen. Was natürlich nur die Spekulationen über eine Vergewaltigung durch die Kidnapper
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