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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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die vielen Ösen des Brustteils seines Wamses und zog sie fest zusammen. Mit der Faust schlug er sich dann mehrmals gegen Brust und Schultern.
    Gut so! Trotz seines Alters war das Wams immer noch gut und fest, auch wenn die Polsterung schon recht steif geworden war.
     Der Bauer verlor plötzlich jegliches Interesse. Er ließ sich in die Hocke nieder, stützte seinen vor Sorgen schwer gewordenen Kopf mit den Händen ab und seufzte: »Ob mein kleiner Paddie noch am Leben ist?«
     Stephan fand, dass es nun doch an der Zeit wäre, seinen Bauern etwas aufzurichten.
     »Unser Paddie ist eine Geisel! Also wird diese boshafte Kröte von einem Ritter nicht so dumm sein und unserem Söhnlein jetzt schon nach dem Leben zu trachten«, entgegnete er aus voller Überzeugung.
     Mit einem Satz sprang der Vater in die Höhe und drohte mit den Fäusten.
     »Wenn dieser dreckige Geier meinem Sohn auch nur ein einziges Haar krümmt, dann breche ich ihm sämtliche Knochen im Leibe und werfe ihn anschließend den Schweinen zum Fraß vor!«
     Mit langsamen Schritten trat sein Cholp heran und legte ihm besänftigend beide Hände auf die Schultern.
     »Kmete! Du weißt, wie sehr ich zu dir und deiner Familie stehe. Ich habe nie vergessen, wie du mich damals in den Sümpfen aufgelesen hattest. Ich habe niemals vergessen, wie deine Familie mich aufnahm und pflegte, trotz der Blutschande, die wie schwarzes Pech an mir haftete.
    Deine Familie ist auch die meine geworden. Deine Kinder sind für mich, als wenn es meine eigenen wären. Ich würde euch niemals im Stich lassen und ich werde bis an mein Lebensende immer treu an eurer Seite stehen. Das schwöre ich dir, bei deinem Swarozyc und bei meinem Jesus Christus, so wahr, wie ich jetzt vor dir stehe!«
     Stephan machte eine kleine Pause und holte tief Luft. Dann tat er etwas, was er noch nie getan hatte: Er belehrte seinen Bauern.
     »Das, was uns heute noch bevorsteht, das ist nicht die Sache eines Mannes, der sich mit der Hacke und der Schafschere besser auskennt als mit dem Schwerte. Zudem macht die Sorge eines Vaters um den Sohn ihn blind und unvorsichtig. Ich gebe dir einen ehrlich gemeinten Rat, nein, ich bitte dich von ganzem Herzen: Halte dich an meiner Seite und renne nicht wie ein wütender Bulle ins offene Messer. Nur mit Bedacht und Überlegung können wir unseren Feind bezwingen. Mit Mut, aber auch mit List, wollen wir unseren Paddie und auch all die anderen Kinder finden und befreien. Das soll unser Ziel sein in den nächsten Stunden. Nicht Rache und Mordgier sollen uns leiten, denn sie sind gar schlechte Ratgeber.«
     Mit großen Augen blickte der Kmete seinen Cholp an. Zuerst war es nur blinder Hass, was Stephan erkannte, aber nach und nach spürte er, wie es im Kopfe seines Bauern zu arbeiten begann. Seine Blicke klärten sich langsam. Aus Hass wurde verhaltene Wut, dann Nachdenklichkeit und schließlich siegte die Vernunft. Der alte Stolz kehrte zurück, wenngleich noch eine leise Spur von Trotz unterschwellig weiterbrannte.
     Langsam erhob sich Paddies Vater, raufte sich mit beiden Händen die schütteren Haare und murmelte dabei: »Alter Freund, ich will fast glauben, dass du am Ende gar recht hast.«
     Stephan nickte zufrieden, warf sich das Panzerhemd über den Kopf und stellte sich mit erhobenen Armen seitlich vor seinen Bauern.
     »Komm Kmete, binde mir die Riemen unter den Achseln. Meine Knochen sind doch schon etwas ungelenk geworden, sodass meine Hände nicht mehr richtig rankommen.«
     Angefüllt mit neuer Zuversicht und Tatendrang schlug der Bauer seinem Knecht kräftig auf die Schultern und antwortete wieder mit der gewohnten Stimme: »Für meinen Paddie würde ich sogar noch deine alte Hose waschen.«
     Stephan lachte dröhnend auf.
     »Fürwahr Bauer, ich nehme dich beim Wort! Wenn der kleine Paddie, als auch die herzensliebe Dusa wieder unter unserem Dache wohnen, will ich gerne deinen Wunsch erfüllen und mich meiner Beinkleider für eine Weile entledigen.«
     
    Etwa um die gleiche Zeit trat der edle Udo vor die Hütte, stemmte seine Fäuste in die Hüften und musterte seine angetretene Streitmacht. Schon längst war er nicht mehr so zuversichtlich wie am gestrigen Tage. Die vielen Boote, die nun an den Ufern der Insel lagen, die ungezählten Lagerfeuer am Waldesrand, all dies war nicht dazu angetan, seine Stimmung zu heben. Normalerweise hätte er jetzt zu einem geordneten Rückzug blasen lassen. Aber in welche Richtung sollte er sich wenden?

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