Die Ehre der Slawen
sich im Todeskampfe windende und schreiende Pferde und überall Blut! Wahre Bäche und Seen von Blut bedeckten die Schlachtfelder. Überall! Soweit das Auge reichte!
Aber dieser verfluchte Kaiser wollte mit den Sarazenen nicht verhandeln. Er wollte sie bis zum letzten Manne vernichten. Und was dabei aber das Schlimmste war, das war jenes, was er uns antat. Wir waren es nämlich, die immer wieder in der vordersten Reihe kämpfen mussten. Unsere stolzen Eintausend - die schmolzen dahin wie das letzte Eis in der Frühlingssonne. Von Tag zu Tag wurden wir an Zahl weniger. Immer mehr Söhne unseres stolzen Volkes mussten ihr Leben auf dem Schlachtfeld lassen. Und warum das alles? Doch nur, damit der verfluchte Otto sein eigenes Heer schonen konnte. Erst, wenn das unglaublich kampfgewandte Heer des Feindes uns zu überrollen drohte, erst dann ließ er seine eigenen Reiter eingreifen, um die Sarazenen zurückzuschlagen. Oh ja, die finstersten Dämonen sollen diesen heimtückischen Kaiser holen und für all seine Ungerechtigkeiten strafen.«
Milosc und Wolzek zweifelten zwar nicht an Witkas Worten, vermochten sich aber nicht richtig vorzustellen, dass ein Heerführer zu solchen Ungeheuerlichkeiten tatsächlich fähig war.
»Ist das wirklich die ganze Wahrheit?«, war letztendlich schon mehr eine Feststellung als eine Frage.
Witkas vorwurfsvolle Blicke bestätigten, dass er nicht gelogen hatte.
»Eines schönen Morgens«, erzählte er weiter, »wir belagerten gerade die Burg Rossano, in der Bucht von Tarent, wagten die Sarazenen gar einen Ausbruch und suchten uns mittels eines Überraschungsangriffes im offenen Felde zu schlagen. Da sie aber in breiter Front angeritten kamen und von unseren stolzen Eintausend noch nicht einmal mehr die Hälfte übrig war, musste nun auch endlich das gesamte Heer des Kaisers in den Kampf eingreifen. Abermals sollten viele Söhne unseres Volkes ihr Leben lassen, bis es uns endlich mit geeinten Kräften gelang, den Feind in die Flucht zu schlagen.«
»Aber dann habt ihr ja doch gesiegt«, warf Paddie ein.
Witka lächelte betrübt und schüttelte müde mit dem Kopf.
»Das, mein lieber Bruder, das hatten wir zuerst auch gedacht.«
»Und was geschah dann?«, fragte Milosc mit zitternder Stimme. Seine Augenlider begannen zu flattern, als er an den Kampf um das eigene Dorf dachte und den grausamen Ritter Udo noch einmal in seinen Gedanken vor sich sah. Erst als Witka weitererzählte, schreckte er aus seinen trüben Gedanken auf und lauschte wieder der leisen Stimme des Erzählers.
»Wir alle waren nun frohen Mutes und hofften auf eine baldige Heimkehr. Wir freuten uns, dass wir den letzten Kampf überlebt hatten und trauerten um die toten Brüder und Freunde. Sogar der Kaiser glaubte, nur noch ein leichtes Spiel zu haben, die versprengten Reste des Feindes zu besiegen. Niemand rechnete mehr mit einem ernsthaft vorgetragenen Angriff. Aber genau das geschah! Anstatt ihren Eroberungsfeldzug aufzugeben und heimzukehren zu ihren Familien, sammelten sich die Sarazenen erneut um ihren Anführer. Ihr heimtückischer Überfall erfolgte so unerwartet, dass es ihnen diesmal gelang, uns und das völlig überraschte Heer des Kaisers zu schlagen. Von den wenigen Kämpfern, die von unserer einstmals stolzen Reiterei noch übrig waren, mussten wiederum mehr als die Hälfte ihr Leben lassen. Als die letzte Schlacht dann endgültig vorbei war, waren nicht einmal mehr fünf Dutzend unseres Volkes übrig, denen die Flucht gelang.
Mehr tot als lebendig kamen wir in Castrovillari an, wo ein calabrischer Medikus unsere schlimmsten Wunden mit Bindfäden zusammennähte. Nach drei weiteren Tagen gelang es unserem tapferen Fürsten Mstislaw, eine Schiffspassage nach Trieste zu kaufen. Von Trieste aus folgten wir den alten Handelswegen entlang des Alpengebirges. Schließlich fuhren wir ein Stück die Vltava 23 flussabwärts, gelangten in die Labe 24 und nun sind wir wieder daheim.«
Bei seinen letzten Worten tätschelte Witkas Mutter ihm liebevoll die Wange und wischte sich schweigend mit der anderen Hand über die Augen. Nun endlich meldete sich auch der alte Kmete zu Wort, der die ganze Zeit über in tiefe Nachdenklichkeit versunken war.
»Nicht einmal dem grausamsten Gott unseres Volkes, Jarowit, dem Gott des Krieges, hat es jemals nach so vielem Menschenblut gedürstet wie dem Gott der Christen. Jenem Gott, der Sanftmut und Vergebung lehrt, aber auch gleichzeitig Meere von Blut auf
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