Die Ehre der Slawen
wagte.
Ein prächtiger Bursche stellte Dietrich zufrieden fest, ließ sich seine tatsächlichen Gedanken jedoch nicht anmerken.
»Euer Kettenhemd sieht stumpf aus und einige Ringe sind zerbrochen«, bemerkte er stattdessen und schüttelte tadelnd den Kopf.
»Ja, Herr, ich weiß«, suchte Udo sich zu rechtfertigen, »aber Ihr wisst ja, die Ernte war in diesem Jahr nicht so ertragreich …, ja und auf einem Schlachtfelde, da war auch schon lange keine Beute mehr zu holen.«
Dietrich nickte verstehend, fügte jedoch hinzu: »Ein neues, standesgemäßes Schwert wäre wohl auch angebracht, meine ich.«
Udo senkte beschämt den Kopf und entgegnete mit etwas Trotz in der Stimme: »Mein Schwert hat aber immer noch eine scharfe Klinge und es ist bereit wie eh und je, jedem Feind mit einem einzigen Hieb den Schädel zu spalten. Wollt Ihr den guten Stahl einmal selbst prüfen?« Udo stand im Begriff, sein Schwert zu ziehen, um es dem Grafen zu überreichen. Der winkte jedoch gelangweilt ab.
»Mir scheint, ich werde Euch wohl ein wenig unter die Arme greifen müssen. Schließlich seid Ihr ein Mann von Adel und ich kann es einfach nicht dulden, wenn meine Edelleute herumlaufen, als seien sie die erbärmlichsten Blutknechte.«
In Udos Augen glomm ein Funken Hoffnung auf.
»So habt Ihr tatsächlich einen Auftrag für mich?«
»Vielleicht.«
»Oh Herr, sagt mir, was ich für Euch tun kann und so soll es geschehen!«
Der Markgraf hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, denn Udos Rittergüter waren in der Tat hoch verschuldet. Im Prinzip rechnete Udo bereits mit einer Hungersnot unter seinen Bauern, wenn nicht bald ein kleines Wunder geschah. Sollte sein Lehnsherr dieses kleine Wunder bewirken können?
Dietrich hingegen gab sich plötzlich unentschlossen und nachdenklich, um seinen Ritter noch etwas auf die Folter zu spannen. Bemessenen Schrittes stolzierte er einmal um Udo herum, musterte ihn von Kopf bis Fuß und kratzte sich geräuschvoll in den Bartstoppeln. Natürlich war ihm nicht verborgen geblieben, dass einige seiner Ritter viel zu sehr über ihre Verhältnisse lebten. Den Rest konnte er sich einfach zusammenreimen.
»Hm, ich frage mich die ganze Zeit, ob Ihr wahrhaftig noch der richtige Mann für mich seid.«
Udo begann zu schwitzen. »Aber Herr, zweifelt Ihr etwa an mir?«
»Nun ja, wenn ich mir Euch so von allen Seiten betrachte.«
Im Gesicht des dermaßen verunsicherten Ritters standen Ungewissheit und Furcht nah beisammen. Sollte der Graf es sich etwa doch noch überlegen und einen anderen mit seinem Auftrage betrauen? Welch furchtbare Schmach.
»Herr, bitte, stellt mich auf die Probe und so werde ich Euch nicht enttäuschen.«
Dietrich gab sich, als ob er einen inneren Kampf ausfocht, obwohl sein Entschluss schon lange feststand. Nach einer genau bemessenen Pause nickte er schließlich nachdenklich den Kopf.
»Nun gut, mein lieber Udo, ich will es mit Euch versuchen. Wie viele berittene Männer unter Waffen könnt Ihr kurzfristig aufbieten?«
»Fünfzehn bis zwanzig, etwa.«
»Wie viele?«, fragte der Graf mit gespieltem Entsetzen zurück.
»Vierzig.«
Dietrich war zufrieden.
»Recht so, mein Ritter, ich wusste, dass ich auf Euch zählen kann.«
Udo atmete befreit aus und schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Vierzig Reiter waren natürlich viel mehr, als er sich momentan leisten konnte, aber wenn sich der Auftrag lohnte, so wollte er sich das Geld dafür gern bei einem Juden leihen.
»Kommt, setzten wir uns an den Tisch und trinken erst einmal einen Wein darauf.«
Schnell waren die Becher gefüllt, Udos Selbstvertrauen kehrte in Erwartung reichen Lohnes zurück. In gespannter Vorfreude hob er seinen Wein und sprach einen Toast: »Gott im Himmel möge Euch segnen und ein reiches Leben bescheren.«
Dietrich nickte wohlwollend und prostete zurück.
»Für ein reiches Leben brauchen wir den Allmächtigen nicht anzustrengen, denn dieses liegt wohl ganz allein in unserer Hand. Den Segen unseres Vaters, den nehme ich aber gerne an. Auf dass ich mit Euch eine gute Wahl getroffen habe.«
Schnell waren die Becher geleert und Udo wartete gespannt, mit welchem Auftrag ihm der Graf nun betrauen würde. Dieser schien jedoch alle Zeit der Welt zu besitzen und spannte seinen Ritter weiterhin auf die Folter. Zunächst stocherte er mit einem spitzen Holzstäbchen zwischen seinen Zähnen nach Essensresten, schnäuzte einmal kräftig auf den Fußboden
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