Die Ehre der Slawen
nach.
Paddie stand hingegen immer noch auf derselben Stelle und starrte wie gebannt auf Kosis schlanke Hüfte, die sich verführerisch im Takt zu ihren leichten Schritten wiegte. Erst als seine Angebetete, gemeinsam mit ihrem Gefolge, um eine Hausecke verschwunden war, atmete er tief aus. Beim großen Swarozyc, was für ein Mädchen!
Rapak trat heran, legte freundschaftlich seinen Arm auf die Schulter des Freundes und erntete dafür einen dankbaren Blick. Paddie seufzte aus tiefstem Herzen und versuchte schnell von dem für ihn peinlichen Geschehen abzulenken.
»Wollen wir morgen in der Frühe den Rest der Schafe suchen?«
Rapak blickte ihn erstaunt an.
»Wieso morgen? Ich war der Meinung, wir brechen gleich wieder auf, wenn du das Viehzeug abgeliefert hast. Je eher, desto besser! Übernachten können wir doch im Walde. Wir machen uns ein schönes Feuerchen, trinken einen guten Schluck Met zusammen und erzählen uns ein paar gruselige Geschichten …, oder etwas über dämliche Mädchen.«
Bei den letzten Worten grinste Rapak unverschämt übers ganze Gesicht und knuffte Paddie freundschaftlich in die Rippen.
»Au ja, für Gruselgeschichten am Lagerfeuer bin ich immer zu haben!«, war Paddie sofort Feuer und Flamme. Rapaks letzte Bemerkung über die Mädchen ignorierte er.
»Hoffentlich erlaubt mein Vater das«, fügte er gleich darauf seufzend hinzu.
Paddies Vater hatte die Erlaubnis gegeben, ebenso Bikus’ Eltern. Ja, und Rapak, der genoss bei seinem Vater sowieso fast alle Freiheiten eines Erwachsenen.
Noch in der Dämmerung machten sie sich auf den Weg. Bikus mit seiner großen Kiepe, gefüllt mit frischem Brot, geräuchertem Fisch und einem riesigen Stück Schinken, Rapak mit Pfeil und Bogen, der schweren Saufeder seines Vaters und einem mit süßem Met prall gefüllten Ziegenbalg. Paddie hingegen hatte sich mit einer leichten Bartaxt, Decken, Feuerstein und Zunder, jede Menge Stricke und natürlich mit seinem »göttlichen« Jagdmesser bewaffnet.
Voller froher Erwartungen marschierten die drei Freunde in Richtung des Dorfes Eichenwald, da sie die anderen Richtungen bereits am Tage abgesucht hatten.
Kaum hatten sie den Waldrand erreicht, erweckte Bikus abermals Mitleid und Spott bei seinen Freunden. Mehrere lange, rote Schrammen zogen sich quer durch sein Gesicht, am Unterarm schillerte eine Bisswunde in allen möglichen Farben und mitten auf seinem Hinterkopf schimmerte eine kahle Stelle.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Paddie scheinheilig.
Rapak kicherte heimlich und drehte sich etwas zur Seite, damit Bikus sein belustigtes Gesicht nicht sehen konnte.
»Ich …? Wieso …? Was soll mit mir sein?«, stotterte der Angesprochene und stellte sich ahnungslos.
»Ja, du …«, hakte Paddie nach, »… du siehst aus, als ob dir eine Wildkatze auf den Kopf gesprungen wäre.«
»Ach so …, das meinst du«, antwortete Bikus lang gezogen, als ob er sich erst langsam daran erinnern müsste.
»Vielleicht waren es gar mehrere Wildkatzen? Etwa zwei weibliche?«, presste Rapak zwischen den Zähnen hervor und brach in ein schallendes Gelächter aus.
Bikus lief dunkelrot an und machte eine wegwerfende Geste.
»Diese blöden Gänse«, versuchte er sich zu rechtfertigen. »Beinahe wäre ich ihnen ja entwischt und hatte mich auch schon gut in einem Heuhaufen versteckt. Mein blöder Köter muss mich aber gesehen haben und hat vor Freude versucht, mich auszubuddeln. Na, und da sind plötzlich die zwei dummen Puten über mich hergefallen, als wenn ich ihnen sonst etwas getan hätte. Ich habe ja versucht mich zu wehren, aber sie sind auf mich los, als wären sie von Sinnen …, und bei diesem Weibervolk weiß man ja auch nie so richtig, wo man sie anfassen kann, ohne ihnen wehzutun.«
Paddie nickte heimlich. Wie recht sein kleiner Dicker doch hatte.
»Du kannst mit den Mädchen zwar alles Mögliche machen, Späße meine ich natürlich, aber beleidigen lassen sie sich nicht«, klärte Rapak den armen Bikus auf.
»Aber diese gemeine Kosi hat unseren Paddie doch auch beleidigt.«
»Das«, Rapak hob seinen Zeigefinger, »ist etwas ganz anderes. Verstehst du, was ich meine?«
»Ne.«
»Kommst du irgendwann auch noch hinter.«
Zu einer weiteren Erklärung ließ Rapak sich nicht bewegen und so marschierten sie schweigend nebeneinander und hielten nach Spuren der vermissten Schafe Ausschau.
Knapp eine dreiviertel Stunde waren sie unterwegs, als
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