Die Ehre der Slawen
was? Nach diesem anstrengenden Tag muss man einfach Hunger haben.«
Erleichtert registrierten Paddie und Rapak, wie Bikus sich nun selbst versorgte und sie vorläufig verschonte. Tief über den Korb gebeugt stopfte ihr Dickerchen das Essen in sich hinein, als ob er wochenlang nichts mehr gegessen hätte. Bevor seine staunenden Freunde ihren Mund leer hatten, waren ein guter halber Brotlaib, drei fingerdicke Streifen Schinken und ein großer geräucherter Barsch in Bikus Magen verschwunden. Und Bikus Hunger schien immer größer zu werden.
»He, he, halte ein«, rief Paddie besorgt, als er endlich seinen Mund frei hatte »sonst haben wir kein Frühstück mehr.«
Für eine Sekunde vergaß Bikus zu kauen und schaute entsetzt in Richtung seiner Freunde. Dann hob er schnell die eine Hand mit dem Rest des ersten Brotes zum Mund und ließ die andere mit einem Handspannen langen Stück Schinkenspeck folgen. Während er mit dicken Hamsterbacken kaute, warf er schnell ein Tuch über den Korb und schob ihn rasch hinter sich.
»Na klar«, murmelte er mit vollem Mund und schielte dabei sehnsüchtig nach Rapaks Weinschlauch. Jetzt noch einen tiefen Zug vom süßen Met und er wollte völlig zufrieden sein, fürs Erste jedenfalls.
Rapak deutete den Blick seines Freundes richtig und forderte Bikus mit einem Kopfnicken auf, das Dach zusammenzuhalten. Dann griff er grinsend nach dem prallen Ziegenbalg. Mit geübtem Griff zog er die Schnur auf, die eines der Beine verschloss, hob den Ledersack mit einer Hand in die Höhe und dosierte mit der anderen den Weinstrahl, der ihm direkt in den Mund schoss. Danach reichte er den Met an Paddie weiter, der es ihm gleichtat. Bikus verfolgte das Ritual mit leuchtenden Augen und konnte vor Ungeduld kaum noch die Decken zusammenhalten.
Dann endlich kam er an die Reihe. Da die Jungs aber kaum noch die Hand vor Augen sehen konnten und der Weinschlauch gut und gerne an die fünfzehn Pfund wiegen mochte, steckte sich Bikus das geöffnete Ziegenbein einfachheitshalber gleich in den Mund und hob den Balg mit beiden Händen in die Höhe. Gierig schluckend trank er so lange, bis Paddie angst und bange wurde und er das Ziegenbein einfach zukniff. Dabei musste er eine Hand von den Decken lösen, sodass Bikus ein kalter Wasserstrahl in den Nacken schoss.
»Brr, nass!«
Enttäuschung und ein leiser Vorwurf stand in Bikus feisten Äuglein, aber einen Widerspruch wagte er nicht. Seine beiden Freunde hatten ja recht, denn Bikus wusste selbst: Wenn er beim Schmausen nicht gebremst wurde, dann aß und trank er meistens so lange, bis er sich vor vollem Bauch kaum noch bewegen konnte. Und außerdem sollte der Met ja noch für die ganze Nacht reichen.
Nachdem alle drei gestärkt waren, lauschten sie eine Weile schweigend dem prasselnden Regen. Ihr schnell errichteter Unterstand war zwar alles andere als eine wetterfeste Behausung, aber wenigstens hielt er das schlimmste Unwetter von ihnen ab. Und wenn sie sich beim Festhalten des Daches abwechselten, dann kam sogar eine recht gemütliche Stimmung auf.
Der süße Met kreiste, eine angeregte Unterhaltung entstand und nur ein schönes warmes Lagerfeuer fehlte noch, um ihre Sachen zu trocken. Da aber alles ringsherum nur so vor Nässe triefte, unternahmen sie erst gar keinen Versuch. Die Zeit verrann, es war stockfinster und der Gewitterschauer verwandelte sich langsam in einen satten Landregen. Der Alkohol tat langsam seine Wirkung, wärmte angenehm von innen und löste die Zungen.
»Warum hattest du uns eigentlich nach unserer Meinung über die Deutschen gefragt?«
»Ach, nur so.«
»Nun los schon, Paddie, du fragst doch sonst nicht ohne Grund.«
»Na ja, warum soll ich euch die Geschichte eigentlich nicht erzählen?«
Und Paddie erzählte die ganze Geschichte seines Vaters, ohne etwas hinzuzufügen und ohne etwas wegzulassen.
*
Kapitel 11
Bis tief in die Nacht hinein hatten die drei Freunde über das Für und Wider der Deutschen diskutiert. Paddies grauenvolle Geschichte wurde von allen Seiten beleuchtet, listenreiche Schlachtenpläne geschmiedet und zu alledem machte unaufhörlich der Weinschlauch seine Runden. Letztendlich waren die Jungs vom schweren Met so betrunken, dass sie sich nur noch mit Mühe aufrecht halten konnten. Ihre schwer gewordenen Zungen begannen am Gaumen zu kleben, vom Magen - her stieg ein widerlicher Saft empor. Niemand gestand aber vor dem anderen ein, wie erbärmlich es ihm
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