Die Ehre des Ritters (German Edition)
Ihre Augen schwammen in glitzernden, kummervollen Tränen. »Der Himmel möge mir beistehen«, flüsterte sie, »aber ich kann es nicht abstreiten.«
Die Hand auf ihre von den Küssen geschwollenen Lippen gepresst, machte sie auf dem Absatz kehrt, rannte zur Tür, stieß sie auf und wäre fast die Treppe hinuntergefallen, nur um ihm zu entkommen.
14
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Heilige Muttergottes, was hatte sie getan?
Beschämt über ihr Handeln und entsetzt über ihr schreckliches Eingeständnis konnte Isabel gar nicht schnell genug von Griffin fortkommen. Sie stürzte die Turmstufen hinunter und rannte ziellos durch den sich dahinziehenden Gang. Es war ihr gleich, wohin er führte. Sie brauchte Einsamkeit. Sie brauchte Rat.
Sie folgte dem schwach beleuchteten Korridor um eine Ecke und ließ sich von der dunklen Arterie immer tiefer in das Herz der Burg führen, an der Halle vorbei, dem Studierzimmer und den Gemeinschaftsräumen – egal wohin, Hauptsache weit entfernt von Griffin. Sie konnte ihm jetzt nicht gegenübertreten. Sie konnte im Moment niemandem gegenübertreten. Ihre Lippen brannten immer noch von Griffins Kuss, ihre Kehle war von Tränen und diesem neuen tiefen Gefühl der Scham zugeschnürt.
Was war sie nur für eine Frau, eine solche Ehrlosigkeit herauszufordern? Wie konnte sie nur so leichtfertig und schamlos sein, sich so unverfroren küssen, sich so unziemlich berühren lassen, obwohl sie einem anderen versprochen war? Welcher Narr brach einen feierlichen Schwur für einen Augenblick der Wonne, obgleich dies Herzschmerz und sichere, wohlverdiente Verachtung bedeutete?
Isabel kam sofort wieder die hoffnungslos liebende Dame in der tragischen Ballade des Barden in den Sinn. Und wenn es ihr noch so schwer fiele, sie würde nicht denselben Weg wählen. Sie würde sich nicht einem Mann hingeben, den sie niemals haben konnte, einem Mann, der sie nur benutzen und für eine Handvoll Silbermünzen sitzen lassen würde. Wenn sie auch nur einen Funken Willensstärke besaß, würde sie ihr Herz nicht an Griffin of Droghallow verlieren.
Sie würde ihn nicht lieben – sie durfte es nicht.
Dieser Satz, ein stummes, verzweifeltes Flehen, wurde ihr wie zu einem Gebet, während sie mit keuchendem Atem und hämmerndem Herzen durch den düsteren Flur schritt. Schließlich verweigerten ihre Füße ihr den Dienst. Keinen Schritt weiter wollten ihre Beine sie tragen. Orientierungslos und unsicher, wo sie sich befand, schaute sich Isabel um und stellte fest, dass sie vor der Burgkapelle stand. Es überraschte sie nicht, dass ihre Schritte sie unwillkürlich hierhergeführt hatten.
Während ihres Aufenthalts im Kloster hatte sie oft Trost und Ermutigung in der friedlichen Stille der Kapelle gesucht. Die Kapelle von Hexford war kleiner als die von St. Winifred, doch die gekalkten Wände und die blakenden Altarkerzen versprachen die gleiche Art von Zuflucht – einen heiligen Ort, der nach Weihrauch und Tradition und gnadenvoller Absolution duftete, ein Hort der Ruhe abseits des lärmenden Treibens der Burg, in dem sie ihre aufwühlenden, verwirrenden Gedanken ordnen konnte.
Isabel trat ein und atmete erleichtert auf, als sie feststellte, dass sie allein war. Die Ledersohlen ihrer Schuhe verursachten leise Geräusche auf dem Steinboden, während sie durch den Mittelgang schritt. Diese und das Zischen des schmelzenden Wachses waren die einzigen Laute, die die Stille des Gotteshauses durchbrachen.
Allein mit Gott und der Last ihrer Sünden sank Isabel vor dem Altar auf die Knie und beugte den Kopf im Gebet. Sie wusste nicht, wie lange sie dort verweilt und um Stärke, Führung und Vergebung gebetet hatte. Sie betete darum, dass ihre Gefühle für Griffin vergehen mochten, um gutes Wetter und freie Straßen, die sie schnell nach Montborne bringen würden, bevor die Versuchung sie erneut überwältigte.
Es waren selbstsüchtige Gebete, allesamt, aber sie war verzweifelt.
War diese seltsame Verwirrung, die sie verspürte, lediglich das Begehren einer Frau oder ein tieferes Gefühl? Warum sehnte sie sich so sehr nach Griffins Nähe und zitterte dennoch in seiner Gegenwart? Warum erschien es ihr das Selbstverständlichste von der Welt zu sein, sich von ihm berühren zu lassen, sich von ihm küssen und umarmen zu lassen, obgleich sie tief in ihrem Inneren wusste – und in ihrem Leben wahrlich gelernt hatte –, dass es falsch war, eine Sünde?
Es kam ihr vor, als hätte der Teufel höchstpersönlich sie
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