Die Ehre des Ritters (German Edition)
seine Miene gefror und sich in Entsetzen verwandelte. Sie glaubte, ihn ihren Namen rufen zu hören, glaubte, er riefe, sie solle sich in Acht nehmen. Aber sie war nicht in Sorge um sich. Nur er zählte. Sie musste ihn rechtzeitig erreichen.
Sie musste einfach.
Immer weiter ritt sie auf ihn zu. Inzwischen war sie nahe genug, um sein Gesicht klar erkennen zu können. Nahe genug, um die Furcht darin zu lesen. Nahe genug, um ihn rufen zu hören: »Mylady! Oh Gott, Isabel, nein!«
Sie fühlte, wie sie etwas von hinten traf, so stark, dass es ihr den Atem raubte und sie vornüber auf den Hals des Zelters fiel. Ein brennender Schmerz durchfuhr sie, und sie spürte, wie ihr das Blut heiß aus der Wunde strömte und an ihrer Seite hinunterrann. Sie spürte, wie ihre Welt sich unvermittelt heftig zu drehen begann, spürte, wie der Boden immer näher kam und sie in eine Decke aus flauschiger, geräuschloser Dunkelheit einhüllte.
Und dann spürte sie gar nichts mehr.
18
»Nein!« Griffins gepeinigter Aufschrei brach wie ein wildes Tier aus ihm heraus, als Isabel nach vorn sank und aus dem Sattel stürzte. Er konnte nicht begreifen, was er sah, wollte nicht akzeptieren, was in diesem schrecklichen Moment passierte.
Isabel war getroffen worden.
Mit eisigen Krallen nahm ihn diese Erkenntnis gefangen. Wie betäubt trieb er sein Pferd zu der Stelle, an der sie lag, zog hart die Zügel an und blickte wütend und in hilfloser Verzweiflung auf ihren zusammengesunkenen Körper hinunter.
»Isabel!«
Wieder rief er ihren Namen. Seine Stimme klang erstickt, flehend, doch sie rührte sich nicht. Reglos lag sie da. Leblos. Ein dunkler feuchter Fleck durchtränkte den grasbedeckten Boden unter ihr.
Blut.
Isabels Blut, vergossen, um ihn zu retten.
Verflucht, das hatte sie für ihn getan. Sie war absichtlich in die Flugbahn des Pfeiles geritten, um ihn zu retten!
Griffins Selbstvorwürfe wurden in diesem Moment nur noch von seiner abgrundtiefen Verachtung für Pater Aldon übertroffen. Der Mann hatte gelobt, sie zu schützen, und sie dennoch in Todesgefahr gebracht. Griff hob den Kopf und heftete seinen wutentbrannten Blick auf den Priester. Aldon musste die tödliche Hitze seines Starrens über die Entfernung hinweg gespürt haben, denn er befahl den beiden Soldaten, Griffin zu töten. Gleich darauf wendete er sein Pferd und gab ihm die Sporen.
Der Mann mit der Armbrust legte einen weiteren Bolzen ein und zielte. Griffin preschte auf ihn zu. Es traf sich gut, dass auf dem gestohlenen Pferd der hölzerne Schild seines verstorbenen Besitzers befestigt war, und Griff wusste den glücklichen Umstand zu nutzen. Er riss den mit einem Lederriemen am Sattel festgebundenen Schild hoch – genau im rechten Moment, um den heransurrenden Pfeil abzuwehren. Unter kriegerischem Gebrüll zog er sein Schwert und ging auf seine Angreifer los.
Der Armbrustschütze, der Isabel getroffen hatte, fiel zuerst. Griff hieb ihm mit der flachen Klinge die Waffe aus der Hand, noch während der Mann versuchte, sie erneut zu spannen. Der Ritter griff nach seinem Schwert, doch es nutzte ihm nichts mehr. Griffin kam ihm zuvor und stieß ihm seine rasiermesserscharfe Klinge so fest in die Seite, dass er ihn beinahe in zwei Teile spaltete.
Gleichzeitig ging der andere Ritter mit ausgestrecktem Schwert auf ihn los. Weniger als eine Armlänge war er noch entfernt, als Griffin ihn aus den Augenwinkeln wahrnahm und sich im Sattel zu ihm umdrehte. Den ersten Schlag wehrte er mit dem Schild ab. Die schwere Klinge glitt über das Holz und hätte sich beinahe in Griffs Oberschenkel gebohrt, was seine Wut nur noch weiter anfachte. Während der Ritter zum nächsten Hieb ausholte, stieß Griffin sein Schwert nach vorn und traf den Mann unerbittlich im Bauch. Der Soldat gefror in seiner Bewegung, ehe er mit ersticktem Gurgeln vom Pferd stürzte. Vermutlich war er tot, bevor er den Boden berührte.
Nachdem er die beiden Ritter ins Jenseits befördert hatte, wendete Griffin sein schnaubendes Pferd und machte sich an die Verfolgung von Pater Aldon, der in der Ferne kaum noch zu erkennen war. Es dauerte jedoch nicht lange, da hatte er ihn eingeholt. Wie ein rotes Segel bauschte sich der Mantel des Priesters hinter ihm. Er warf gerade einen schnellen Blick über die Schulter, als Griffin zu ihm aufschloss. Vor Zorn innerlich kochend lehnte er sich vor, streckte den Arm aus und bekam den flatternden Stoff von Aldons Mantel zu fassen. Ruckartig zog er daran und riss den Reiter
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