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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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fiel in mein Fach. Der Entführte hatte gewissermaßen ganz Amerika in der Tasche. In der Kartei seiner Firma war die Bevölkerung ganzer Großstädte erfasst, von der Wiege bis zur Bahre, über einen Großcomputer in Sekunden verfügbar. Der weltweit führende Adressenhändler wußte, wann die Jungen aus den kurzen Hosen wuchsen und wie oft ihre Väter das Unterhemd wechselten. Er konnte auf Anhieb sagen, wann sich Mrs. Miller einen Pelzmantel kaufen und wieviel ihr Mann nach seiner dritten Scheidung für eine Erholungsreise ausgeben würde.
    Solcherlei Informationen wurden gehortet. Der moderne Mensch ist durchsichtig geworden. Allerdings ging es Firmen wie Letters & Son weniger um die Intimsphäre als um die Brieftasche. Dieses typische Know-how hatte längst auch in Europa Fuß gefaßt und den alten Kontinent im Sturm erobert. Die Industrie griff mit beiden Händen zu: Wenn sie zum Beispiel wußte, wann Herr Jedermann von der Schwarzweiß-Mattscheibe genug hatte, konnte sie Werbung und Produktion genau auf den Zeitpunkt abstellen, zu dem er sich Farbe leistete.
    Das war weitgehend gelungen. Der elektronische Markt war farbgesättigt. Jetzt ging es um den Absatz von Videorecordern. Die Hersteller hatten sich – wie bei den Tonkassetten – auf keine einheitliche Norm einigen können, und so konkurrierten mehrere Systeme miteinander: Wer als erster an den Kunden herankam, hatte die Chance, sich durchzusetzen – und wer ein potentieller Käufer war, ermittelte die Kartei anhand von Einkommen und Lebensgewohnheiten.
    Aber die Adressen von Zukunfts-Kunden waren für die Industrie nur dann interessant, wenn die Konkurrenz nicht auch über sie verfügte. Deshalb war es für die deutsche Tochterfirma der Letters and Son Ltd. New York-Düsseldorf, eine Lebensfrage, nicht bekannt werden zu lassen, daß ihre Informationsquelle von Erpressern angezapft worden war.
    »Ich habe einen besonderen Draht zur Polizei«, sagte ich zu Sandra. »Ich könnte die Sache mit äußerster Diskretion …«
    »Die Entführer haben Mr. Letters nicht nur geschäftlich in der Hand«, erwiderte die Journalistin. »Hier kommt noch eine ganz besondere Gemeinheit hinzu: Der Vater meines Freundes ist ein schwerer Diabetiker. Nur tägliche und reichliche Insulin-Spritzen halten ihn am Leben.«
    Auf einmal spürte ich Hornissen in der Hose.
    »Verstehst du, Mike«, fuhr Sandra fort. »Es ist der unblutigste und perfekteste Mord, den es gibt.«
    »Wann sollst du diesen Gangstern das Material übergeben?« fragte ich.
    »Morgen.«
    »Dann haben wir ja noch ein paar Stunden Zeit«, versetzte ich trocken, entschlossen, mir an diesem bislang wohl schwersten Fall die Zähne auszubeißen.
    Als die Musiker des Bundespresseballs ihre letzten Zugaben schmetterten, schlich sich Sandra unbemerkt aus dem Hotel Königshof undfuhr nach Düsseldorf zurück. Sie hatte mir versprochen, alle Alleingänge zu vermeiden. Es blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu setzen, daß sie sich ausnahmsweise einmal daran halten würde.
    Zunächst einmal ging es darum, das Leben des schwer zuckerkranken Mr. Letters sen. zu schützen. Solange die Entführer ihn ausbeuten wollten, würden sie ihm die lebenswichtigen Medikamente nicht ganz entziehen. Einstweilen gab es keinen anderen Weg als auf ihre Bedingungen einzugehen, und das hieß, in Klartext übersetzt: keine Polizei.
    Sandra mußte sich ab Mittag für die Übergabe der Informationen bereithalten. Weder Ort noch Zeitpunkt waren verabredet. Die bekannte Publizistin sollte ihren Tag zubringen wie jeden anderen. Irgendwann und irgendwo würde sich aus dem Hintergrund einer unserer Gegenspieler an sie heranmachen und in einer Sekunde jahrelang gehortete Informationen erhalten.
    Für mich sah der Fall von vornherein danach aus, daß ein Wirtschaftsverbrecher sich kriminelle Helfer gedungen hatte, hartgesottene Profis der Unterwelt. Sie würden Sandra erst einmal beschatten, um sicherzugehen, daß sie die Polizei nicht alarmiert hatte.
    An diesem Tag war sie ganz allein auf sich gestellt – ich hatte mich weit vom Schuß zu halten.
    Sandra erschien gegen elf Uhr im Frühstücksraum, kassierte die bewundernden Blicke der hier versammelten Herren achtlos wie Kleingeld, las die Zeitung, wurde per Voranmeldung aus New York am Telefon verlangt – es war ihre Redaktion, die den Umfang ihres nächsten Beitrags aushandelte – dann schlüpfte sie in ihren Mantel und ging zu Fuß über die Kö.
    Sie ließ sich im Strom der

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