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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Kriminalrat. »Er war außer sich und fuhr zu Wanda von Wietersheim. Er wußte nicht, was er machen sollte. Er war so in Rage, daß er nach der Flasche griff. Er machte Andeutungen gegen Sie, und dann jagte er mit dem Wagen die Rheinstraße entlang. Die frische Luft warf ihn um, und so passierte der Unfall.«
    »Vonwalls Erzählungen«, erwiderte der Diplomat. Er sah ungut aus. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn.
    Er erhob sich und kühlte sein Gesicht am Waschbecken, er konnte nicht fassen, daß ihn die für einen linkshändigen Golfer typische sonnverbrannte rechte Hand in Mordverdacht gebracht hatte.
    Er drehte sich um, stand mir gegenüber.
    Ich holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. »Fang!« rief ich unvermittelt und warf es ihm zu.
    Im Reflex fing Wendsberg das Päckchen auf.
    Mit der linken Hand.
    »Linkshänder?« fragte ich.
    Er nickte.
    »Und ein solcher hat Wanda erstochen«, ergänzte der Kriminalrat. »Sie haben ihr heute Nacht in ihrer Wohnung aufgelauert und sie getötet.«
    »Sie sind verrückt«, keuchte Wendsberg.
    Er war kein Herrenreiter mehr, kein Golfspieler, kein Diplomat und schon gar kein Steher. Als ihn Vonwall durch die Mangel drehte, brach Wendsberg zusammen und gestand, Dienstgeheimnisse an Lobbyisten unter der Hand verkauft zu haben. Schließlich gab er auch noch den Mord an Wanda zu.
    Der klassische Fall – der Bock als Gärtner – war gelöst. Und Bonn hatte seinen vorderhand letzten Skandal.

8
    Ich hielt mich nicht zufällig in Münchens Tausend-Betten-Burg auf; der Internationale Gewerkschaftsbund veranstaltete hier einen Kongress. Seitdem sich herumgesprochen hatte, daß die Diebe in den dunklen Anzügen nicht nur den Gewinn der Unternehmer schmälern, sondern auch die Arbeitsplätze bedrohen, war ich bei solchen Veranstaltungen ein willkommener Gast.
    Nach einem Vortrag hinter verschlossenen Türen saß ich in der Hotelhalle und nahm einen Aperitif. Ich hatte es nicht eilig. Das Wetter war schlecht. Ich griff nach einer Zeitung und las sie von vorne nach hinten und dann von hinten nach vorne, umgeben von Menschen, die ihre Langeweile absaßen wie eine Freiheitsstrafe.
    Ich hörte Schritte, ganz dicht hinter mir.
    Bevor ich mich umdrehen konnte, legten sich zwei Hände über meine Augen.
    »Wer ist's?« fragte eine offensichtlich verstellte, zweifellos weibliche Stimme.
    »Vielleicht Evelyn?« erwiderte ich in angenehmster Erwartung.
    »Falsch –«
    »Dann wohl Eva?«
    »Fehlanzeige.«
    »Auch nicht Sandra?«
    »Mitnichten. Was bist du eigentlich, Mike?« fuhr die verstellte Stimme fort. »Heiratsschwindler oder Mädchenjäger?«
    »Ich bin ein gewisser Tantalus«, entgegnete ich lachend.
    Dann lösten sich die Hände, und ich sah Miriam – und die Stunde hatte einen Sinn. Sie trug längst nicht mehr ihre schicke Stewardessen-Uniform. Sie hatte bei ihrer Fluglinie Karriere gemacht und lebte jetzt mit beiden Beinen fest auf dem Boden, eine Direktions-Assistentin auf dem Weg nach oben.
    »Ich fürchte, du betrügst uns alle vier«, sagte sie lachend. »Mit einer blonden Dame aus Frankfurt.«
    »Gerede«, wich ich ihr aus.
    »Ich habe etwas läuten hören«, fuhr sie fort. »Hochzeitsglocken.«
    »Dann bist du wirklich sehr hellhörig«, antwortete ich. »Es ist eine prächtige Überraschung, dich hier zu sehen.«
    »Vielleicht für dich«, antwortete sie lachend. »Ich bin schon seit zwei Tagen hinter dir her.«
    Ich hatte viel zu sehr Augen für diese Demonstration perfekter Weiblichkeit, um die Widerhaken ihrer Worte zu spüren.
    »Wir haben Sorgen«, stellte Miriam fest. »Große.«
    »Wer ist wir?« fragte ich albern.
    »Die European Air«, versetzte sie. »Meine Fluglinie.« Sie fiel in einen imitierten Reklame-Ton: »Europas Antwort auf die US-Luftgiganten.«
    »Nichts Geschäftliches, bitte«, erwiderte ich. »Ich habe meinen freien Tag. Wir sollten ihn nutzen.«
    »Einverstanden«, entgegnete Miriam, und ich mußte mich wohl zu lange dem verwirrenden Gegensatz von moosgrünen Augen und sanftroten Haaren überlassen haben, um nicht zu merken, daß sie ganz andere Vorstellungen davon hatte als ich.
    Wir gingen an die Hotelbar.
    Fast alle Gäste in der Halle sahen uns nach. Obwohl ich dabei sicher weit schlechter abschnitt als meine Begleiterin, war ich durchaus zufrieden.
    Beim zweiten Whisky on the rocks kam Miriam erstmals auf den Fall zu sprechen: Er hatte es in sich, nicht nur weil es um unsagbar viel Geld ging. Er spielte bis in die deutsche Zentrale

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