Die ehrenwerten Diebe
eine ganz schöne Hochsprunglatte. Aber das allein ist es nicht. Die muntere Dame beginnt, Fragen über seine berufliche Arbeit zu stellen. Außerdem will sie ihn beständig mit italienischen Freunden zusammenbringen …« Sandra warf einen Seitenblick auf mich.
»Gefallen dir meine Beine?« fragte sie lachend.
»Ja«, erwiderte ich.
»Man sieht's«, antwortete sie und zog in unprüder Geste den Rock ein wenig tiefer.
»Und diese Leute sind unsere Gegenspieler?«
»Erraten«, entgegnete Sandra.
»Und was steckt hinter dem M-Präparat?«
»Verstehst du etwas von Medizin?«
»Ich geb' mir Mühe«, erwiderte ich.
»Du weißt, daß das Penicillin – und seine Weiterentwicklung – eine großartige Sache ist. Aber wir haben Raubbau damit getrieben und nicht nur jede kleine Erkältung mit Antibiotika bombardiert, sondern auch die ganze Umwelt damit verseucht.«
»Bekannt«, erwiderte ich. »Man zieht Geflügel, Schweine, Kälber damit auf und …«
»… schafft damit eine Art Immunität. In vielen Fällen spricht das großartige Medikament nicht mehr an. Und da kam unser famoser Doc Middling auf die Idee, ein Präparat zu entwickeln, das mit dieser Resistenz Schluß macht.«
»Und wie weit ist er damit?«
»Praktisch fertig«, erklärte Sandra. »Nur die US-Regierung muß man immer zu ihrem Glück zwingen. Kannst du dich an die Antibabypille erinnern? Fünf Jahre lang mußte sie erprobt werden, an 811 Testpersonen in Puerto Rico.« Sandra warf im Vorbeifahren einen flüchtigen Blick auf das EUR-Viertel. »Und wir sind mit dem M-Präparat gewissermaßen im dritten Jahr. Der Erfolg ist bereits jetzt umwerfend.«
Fraglos ging es bei diesem Fall einer vermutlichen Industrie-Spionage nicht nur um die Dollar-Millionen der Miller Laboratories, sondern um das Wohl der Menschheit schlechthin. Wenn die Pharmazeutische Neuentwicklung hielte, was sie versprach, dann wäre künftig eine ganze Reihe von Krankheiten, von der Lungenentzündung bis zum Wundstarrkrampf, endgültig ausgerottet.
»Wo hast du mich untergebracht?« fragte ich Sandra.
»Wir wohnen im Excelsior«, antwortete sie. »Auf der gleichen Etage wie unser Freund und Schürzenjäger.«
Wir saßen herum und warteten.
Alle paar Stunden erreichte uns ein Bericht über Doc Middling.
Sandra hatte mit ihrer Vermutung recht gehabt: Der Wissenschaftler begann, sich Gedanken über seine Freundin und sich zu machen. Wir brauchten nur noch auf eine Gelegenheit zu warten, ihn anzusprechen, um die Rekordliste seiner ständigen Begleiterin vorzuweisen – und wie im Märchen würde das Gute wieder einmal siegen.
Wir lebten unter einer ungeheuren Spannung.
Ich hatte den Eindruck, jeden Moment müßte eine Bombe hochgehen. Als letztes hatten wir erfahren, daß das ungleiche Paar zum Abendessen nach Trastevere fuhr, um dort mit Dianas Freunden zusammenzukommen; der Wissenschaftler mußte wieder einmal nachgeben, allerdings unwillig.
Sie hatten sich im Patacca einen Tisch reservieren lassen, was uns Gelegenheit gab, einen günstigen Nischenplatz zu suchen. Es war ein originelles Lokal, gleichermaßen beliebt bei Römern wie Touristen. Der Wirt hatte eine alte Schmugglerhöhle ausgebaut, aber vielleicht hatte er diese Legende auch nur eingeschmuggelt, um seine Gäste in noch bessere Laune zu versetzen.
Die Kellner trugen altrömische Trachten. Das Lamm drehte sich am Spieß, und der Frascati floß in Strömen. Die großen Scheine nahm der Wirt, das Kleingeld holten sich die Fotografen, Stehgeiger, Sänger und Wahrsager, die in einem pausenlosen Strom die Gäste überfielen. Das gehörte zur Folklore, und so trugen alle frohe Laune.
Bis auf einen: Doc Middling.
Wiewohl die blonde Diana unentwegt seine Hand streichelte, winkte er ab, als ein Standfotograf auf seinen Tisch zuging, aber der Mann blitzte und blitzte, und es wurde mir klar, daß es einer von Sam Tebsters Leuten sein mußte, der die beiden Typen – anders konnte man sie nicht bezeichnen – schoß.
Das Patacca wurde immer voller, die Stimmung immer ausgelassener.
Endlich fiel Doc Middlings Blick auf Sandra.
Er wirkte einen Moment verworren.
Sie winkte ihm zu.
Eine Weile kämpfte er mit seiner Unschlüssigkeit.
Er sah immer wieder zu uns her. Schließlich stand er zögernd auf.
»Es ist soweit«, sagte Sandra und erhob sich.
Ich wollte ihr folgen, um sie abzuschirmen, aber ein lächerliches Ereignis hinderte mich: Einer der Kellner – er hatte offensichtlich schlechte Erfahrungen mit
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