Die ehrenwerten Diebe
paar Informationen zu der Dame: Sie ist fünfundzwanzig und gibt sich für zwanzig aus. Mit fünfzehn hat sie ihren Lehrer verführt und ist geflogen. Mit sechzehn hat sie dann mit einem abgetakelten Baseballspieler zusammengelebt. Er gab ihr den Laufpass. Von da an schlug sie sich meist als ständige Begleiterin durch. Ihre Laufzeiten reichten von zwei Tagen bis zu drei Monaten. Nie länger. Eine Saison lang verdingte sie sich in Florida als Callgirl, vorwiegend für ältere Pensionisten, dann lernte sie einen Barbesitzer kennen, den die Polizei für einen Cosa Nostra-Gangster hält.«
Den Schnellauf hatte die gesuchte Stelle des Tonbands überrollt.
Sam Tebster spulte zurück.
»Ich habe den Lebenslauf der Dame in Wort und Bild zu einem Album zusammenstellen lassen«, sagte er mit einer Spur Schadenfreude. »Sie können es vielleicht bei Gelegenheit ihrem derzeit ständigen Begleiter zeigen.«
»Ich werde mich hüten«, versetzte Sandra lachend.
»So«, sagte der Privatagent. »Auf los geht's los.«
Zuerst hörte man nur den gefilterten Düsenlärm, dann Zeitungsrascheln, dann sagte Diana betont beiläufig:
›Warst du schon einmal in Rom?‹
›Nein.‹
›Ich auch nicht. Aber ich möchte diese Stadt unbedingt kennenlernen.‹
›Jetzt bleiben wir erst einmal in Madrid.‹
›Siehst du‹, quengelte die Begleiterin. ›Zuerst wolltest du mir die ganze Welt zeigen, und jetzt willst du mich nicht einmal nach Rom führen …‹
›Natürlich reisen wir nach Rom.‹
›Wann?‹
›Wann du willst.‹
›Gut‹, erwiderte Diana, ›dann bleiben wir zwei Tage in Madrid und dann …‹
Das Gerät wurde abgeschaltet.
»Ich habe unsere europäischen Tochterfirmen angewiesen, Ihnen und Sam – er hat alle verfügbaren Leute aufgeboten – jede Unterstützung, aber auch jede zu geben. Wir müssen diesen Narren wieder zur Vernunft bringen. Jedes Mittel ist mir recht. Geld spielt keine Rolle«, sagte er zu Sandra. Er fing einen anzüglichen Blick des Agency-Chefs auf. »Das gilt auch für Sie, Sam«, setzte er eine Spur matter hinzu. »Stellen Sie sich nur vor, was es kosten würde, wenn dieses M-Präparat …«
Das Abenteuer hatte begonnen. Noch am gleichen Tag flogen Sam Tebster und Sandra Kelly nach Rom, in der selben Maschine, doch auf getrennten Plätzen.
Die Journalistin hatte mich aus den Federn geholt und brauchte mich nicht zweimal an den Tiber einzuladen. Am Telefon hatte sie mir die Vorgeschichte erzählt.
Italien war eine brandheiße Spur. So wie Amerika die strengste Arzneimittel-Aufsicht hatte, lockte in Italien die mildeste. Hier sind noch immer die sozialen Unterschiede sehr krass. Um auch die Armen mit Medikamenten zu versorgen, hatte die Regierung schon vor Jahrzehnten ein an sich gutes Gesetz erlassen, mit dem aber arger Missbrauch getrieben wurde.
Manche Pharma-Konzerne bauten in der Zusammensetzung nur geringfügig abgeänderte Medikamente nach und räuberten unter Fantasienamen auf dem Markt. Zum anderen machten die erleichterten Bestimmungen die Apenninhalbinsel zu einem Tummelplatz gefährlicher Experimente. Firmen, denen der Weg zu weit war, benutzten einfach ihre auf Heilung hoffenden Landsleute als menschliche Versuchskaninchen.
Der alte Zaubertrick: Über dem Alpenkamm durchstießen wir die Schlechtwetterdecke. Die lombardische Ebene lag im Sonnenglanz. Kurz vor Rom zog der Düsenriese eine Schleife, flog über dem Meer den Flughafen Fiumicino an.
Sandra erwartete mich.
Sie hatte die Arme nicht ganz so weit ausgebreitet wie Leonardo da Vinci auf seinem Denkmalsockel, aber es genügte, um mich an sich zu ziehen und mich einen Moment lang der Illusion zu überlassen, ich sei nach Rom gekommen der Liebe wegen.
Doch gleich war von anderen Dingen die Rede.
»Tebsters Leute arbeiten fantastisch«, berichtete Sandra, als wir im Taxi nach Rom fuhren. »Sie haben Doc Middlings Umgebung mit Wanzen bestückt – der arme Schwerenöter tut mir richtig leid.« Sie lächelte süffisant. »Sie zählen seine Küsse mit, seine Seufzer, seine Liebesschwüre, seine Anwandlungen und seine Abschlaffungen.«
»Dann gute Nacht, wenn dieses Beispiel Schule macht«, erwiderte ich.
»Die Prozedur ist widerwärtig, aber unvermeidlich.« Sandra sprach nur aus, was ich ohnedies dachte. »Jedenfalls erfahren wir jeden Schritt, den er tut, und jedes Wort, das er spricht.«
»Und?«
»Es sieht aus, als hätte sich seine Liebesglut etwas abgekühlt. Dreißig Jahre Altersunterschied sind ja auch
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