Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
Stirn. »Historisch war es! AS Eupen gegen RAEC Mons!«
Gregor nickte.
»Wir waren noch nie in der ersten Division!« Der Mann ging kopfschüttelnd weiter. Er konnte nicht wissen, dass Gregor vom Fußball so viel verstand wie von alten Fahrrädern und hungrigen Frauen mit Schleiern an den Hüten.
Elisabeth! Er konnte nicht bis zum Dunkelwerden warten. Bis dahin wäre sie verhungert. Er lief fast zu seinem Motorrad.
Er glaubte genau die Fahrspur zu kennen, wo sie auf dem Baumstamm gesessen hatte. Aber als Gregor langsam über die Betonplatten-Straße Richtung Mützenich rollte, da war er sich nicht mehr sicher. Die Wege sahen plötzlich alle gleich aus. Er wusste nur noch, dass es auf der rechten Seite gewesen war, die jetzt die linke war.
Als er schon glaubte, ein Opfer seiner Fantasie geworden zu sein, sah er das Fahrrad. Es lehnte immer noch am Baumstamm. Die gleiche Szene wie beim ersten Mal, nur Elisabeth fehlte auf dem alten Schwarzweißfoto.
Dennoch bog Gregor auf den Waldweg, ließ seine Maschine ausrollen, bremste und stellte die Füße auf den Boden. Er bockte die Maschine auf und öffnete den Tankrucksack. Er holte das Speckpäckchen heraus.
Sicher hatte sie sich versteckt. Er würde sie schon finden. Mit Speck fängt man Mäuse, dachte er sich.
Aber als er den Helm vom Kopf zog, blickte er in die Mündung eines Gewehrs. In einem Reflex ließ er Speck und Helm fallen, hob die Hände und sprang einen Schritt zurück.
Der Mann hinter dem Gewehr war ein deutscher Soldat in einer alten, abgewetzten Uniform, einer Uniform, die Gregor aus dem Geschichtsunterricht kannte. Er bohrte Gregor den Gewehrlauf in die Magengrube mitten in den
Croque Monsieur
. Hinter ihm tauchten plötzlich zwei weitere Soldaten mit angelegten Gewehren auf und kamen mit langsamen Schritten näher.
»Aufmachen!«, befahl der erste Soldat und zeigte mit dem Gewehrlauf auf das Päckchen.
»Haben Sie Elisabeth gesehen?«, stieß Gregor hervor.
»Aufmachen!«
Gregors Finger zitterten. Dabei hatte er nichts zu verbergen. Er hatte nichts gestohlen. Er hatte nur Speck gekauft. Er bückte sich, faltete das Papier auseinander. Acht Scheiben leckeren mageren Speck. Er dachte in diesem Moment sogar daran, sie den Soldaten zu schenken. Wenn Speck hier so begehrt war. Er hing nicht dran. Er würde für Elisabeth etwas anderes zu essen finden.
»Hier! Sehen Sie, nur ein bisschen Speck, sonst nichts. Möchten die Herren probieren?«
Als er vom Speck hochsah, blickte er wieder geradewegs in die Mündung des Gewehrs.
Das Gefühl, als ihn die Kugel traf, war wie ein Schlag gegen die Stirn. Sein Kopf prallte nach hinten. Langsam hob Gregor die Hand zwischen die Brauen und fühlte, wie etwas Heißes über seine Nase lief.
Vom Winde verdreht
Meinen Sie, es wäre schön, ein Windrad zu sein?
Das ist es nicht. Ich weiß, wovon ich rede. Ich heiße Louise und stehe seit einigen Jahren in der Eifel herum. Ich bin nicht mehr die Jüngste, und mir ist oft übel von der ständigen Dreherei. Das geht in die Arme, kann ich Ihnen sagen. Sie sind schon ganz steif davon. Manchmal habe ich das Gefühl, sie fallen mir ab. Auch wenn unsereins drei Stück hat und man annehmen könnte, die Arbeit verteile sich so besser, ist es kein Spaß. Ich stehe 572 Meter über dem Meeresspiegel, meine Nabenhöhe beträgt 65 Meter, meine Arme sind zehn Meter lang, wissen Sie, was hier oben für ein Wind weht?
Ich werde Ihnen jetzt von meinem Leben erzählen. Es muss raus, sonst ersticke ich noch daran. Es mit meinen Freundinnen zu besprechen, erscheint mir sinnlos, es sind viele Depressive darunter. Viele drehen sich einfach nur noch nach dem Wind und haben längst aufgegeben. Ich glaube, manche trinken auch. Die Selbstmordrate unter Windrädern ist hoch.
Aber ich bin anders. In mir ist noch Hoffnung. Ich will Veränderung. Ich gebe nicht auf. Obwohl man es mir wirklich schwer macht.
Abgesehen von der ständigen Dreherei ist es stinklangweilig hier oben. Immer dasselbe, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Ob Winter, ob Sommer. Ob Regen, ob Schnee. Mal weht der Wind aus Osten, mal aus Westen, das ist es dann aber auch schon. Gegen einen feinen Südwind wäre ja nichts einzuwenden, aber wann gibt es den hier schon mal?
Und immer dieselbe Aussicht. Sie ist nicht schlecht, aber man sieht sich satt. Bei lebendigem Leibe fest gemauert auf einen Platz, für immer und ewig. Ich weiß nicht, ob Sie das schön finden würden. Wir tun es nicht. Man wird weltfremd dabei. Wir würden
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