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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Probleme, weil sie nicht ganz ohne dastehen wollte: Margrets Phantom-Schwiegermutter war die Schlimmste von allen, ein Drachen erster Güte, ein endloses Thema. Im Prinzip war sie wie Walther, aber das wusste außer Margret niemand.
    An einem dieser Nachmittage zeigte Margrets Schicksal plötzlich und unerwartet Erbarmen. Es war ein Montag, sie war für eine ihrer neuen Freundinnen eingesprungen, die an einem Grippevirus litt.
    In einem Männermantel, Größe 52, schwarz, Kaschmir, fand Margret in der Brusttasche einen kleinen, länglichen Karton und einen Zettel. Schnell ließ sie beides in ihrer Jackentasche verschwinden und arbeitete weiter, als sei nichts geschehen. Aber eine dunkle Ahnung ließ sie nicht los. Sie konnte einfach nicht bis zum Schluss bleiben, sie verabschiedete sich früher. Sie müsse noch einkaufen, sagte sie.
    Sie ging in ein Café, setzte sich auf einen Stuhl mit dem Gesicht zur Wand und bestellte einen heißen Kakao mit Sahne. Für einen Kaffee war sie viel zu aufgeregt. Nachdem die Kellnerin sie bedient hatte, entfaltete sie den Zettel. Es handelte sich um eine mit einem blauen Kuli geschriebene Quittung.
    Ein Dr. Achim Sonntag mitsamt Stempel, Anschrift und Telefonnummer in Köln bestätigte eine vierstellige Summe erhalten zu haben. Margret musste dreimal hinsehen: 7.540 Euro incl. MwSt. Für dieses Kartönchen? Der großzügige Spender war nicht eingetragen.
    Sie öffnete das Kartönchen, das weiß und unbeschriftet war, und zog ein braunes Fläschchen mit Schraubverschluss hervor, das ebenfalls kein Etikett trug. Aber randvoll war. Das sah Margret sofort, als sie es schüttelte.
    Sie trank einen großen Schluck Kakao und wischte sich mit dem Handrücken die Sahne von der Oberlippe. Sie öffnete den Schraubverschluss und hielt sich das Fläschen unter die Nase. Der Inhalt roch lecker nach Wald. Fichtennadeln für 7.540 Euro?
    Margret erinnerte sich an Seite 56 ihres Pflanzen-Lexikons und verlangte kurzerhand von der Bedienung einen blauen Kuli. Sie übte die Handschrift des Arztes ein paar Mal auf der Serviette, ehe sie Walther Lux als zahlungskräftigen Teil des Geschäftes eintrug und hinauseilte. Beinah hätte sie vergessen, ihren Kakao zu bezahlen. Bei der Gelegenheit erstand sie ein Stück Kuchen für die kranke Freundin. Obstkuchen. Vitamine sind immer gut.
    Die Freundin delirierte allerdings heftig im Fieber und bemerkte kaum den freundlichen Besuch. Und Appetit auf Kuchen hatte sie auch keinen, sie rührte das Bäckerpapier nicht an.
    Nach der Hauptspeise – Kohlrouladen mit Salzkartoffeln und brauner Sauce – und Walthers üblichem Genörgel, mischte Margret die grün-braune, sämige Flüssigkeit aus dem Fläschchen wie eine delikate Sauce unter seinen geliebten Vanille-Fertigpudding und sah zu, wie er ihn in sich hineinlöffelte, seltsamerweise mit offensichtlichem Genuss.
    Ebenso verwundert sah Margret zu, wie er sich wenig später in stundenlangen Krämpfen wand, um nach einem zähen Todeskampf das Zeitliche zu segnen.
    Sie schlug ein Kreuz über ihm, ließ ein halbes Stündchen verstreichen, ehe sie nach der Polizei rief und ihr das leere Fläschen samt Rechnung schluchzend unter die Nase hielt. Jede Hilfe sei zu spät gekommen. Walther sei schon tot gewesen, als sie vom Besuch bei ihrer kranken Freundin zurückgekehrt sei.
    Ein Dr. Achim Sonntag aus Köln wurde wegen des Verdachtes auf Sterbehilfe oder Beihilfe zum Mord an einem Mann verhaftet, den er angeblich noch nie gesehen hatte und der angeblich nicht einmal sein Patient gewesen sein sollte. Des Weiteren warf man ihm Betrug und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vor, da es sich bei dem überteuerten Medikament nur um einen billigen, aber hochgiftigen Sud aus Eibennadeln gehandelt hatte.
    Sein Motiv lag auf der Hand: Bereicherung. Beweismittel waren neben dem Fläschchen und dem Kartönchen und der Quittung auch ein Stück Obstkuchen, das schon Schimmel angesetzt hatte.
    Wie immer die Richter am Ende entscheiden mochten, Dr. Achim Sonntag konnte seine Karriere getrost als beendet betrachten, was Margret in der letzten Reihe im Gerichtssaal bedauernd zur Kenntnis nahm, denn er war ein schlanker, sympathischer Mann, dem der Kaschmirmantel aus dem Secondhandshop niemals gepasst hätte. Margret hatte einen Blick für Kleidergrößen.

Steinfeld
    Steinfeld! Ich bin’s!«
    Nachdem ich geklopft hatte, herrschte Stille. Ich klopfte wieder, da flog die Wohnungstür auf. Der Geruch, der mir entgegenschlug, ließ mich einen

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