Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
selbst geschrieben: »Es handelt sich um
Das Fenster zum Hof
und ist, wie ich schon sagte, von Cornell Woolrich.«
»Blödsinn!
Das Fenster zum Hof
ist von Alfred Hitchcock, veräppeln Sie mich nicht.«
»Aber das ist doch nur der Film, Frau ...«
Jetzt reichte es mir. Ich presste sie gegen ein Regal. »Ja, ja, ich weiß, ich sollte mehr lesen, sagt mein Mann auch immer. Aber das geht Sie überhaupt nichts an. Wann kommt dieses gottverdammte Buch zurück?«
»In vier Wochen, wenn die Frist nicht verlängert wird.«
»Vergessen Sie es. Darauf kann ich nicht warten.«
Ich setzte meine Hoffnung zunächst einmal auf den Titel und kehrte zurück zu Steinfelds Haus. Wenn es dahinter keinen Hof gab, blieb immer noch der Autor, um dessen Biografie ich mich kümmern konnte. Wenn alle Stricke rissen, musste ich mich eben überwinden und doch dieses Buch kaufen und lesen. Oder vielleicht beim Verlag anfragen, überlegte ich, während ich durch einen Hinterausgang eine Fläche betrat, um die sich vier etwa gleich hohe Häuser scharten.
Ein veritabler Innenhof. Nicht schlecht für den Anfang. Er lag im Schatten, die abendliche Sonne stand hinter den Häusern. Ich orientierte mich kurz, glaubte Steinfelds Fenster gefunden zu haben und sah angestrengt in die vierte Etage hinauf. Nichts Auffälliges war dort festzustellen. Niemand stand hinter der verschmutzten Scheibe und drückte sich die Nase platt. Kein Vorhang wurde eilig zugezogen. Auch nicht neben, über oder unter seiner Wohnung.
Nun stellte ich mich genau vor die Fensterreihe und versuchte mir vorzustellen, was von seinem Fenster aus zu sehen wäre. Das Ergebnis war frustrierend: spielende Kinder, auf den Bänken Mütter, die rauchten und sich unterhielten, ein herrenloser Hund, zwei Halbwüchsige, die Fußball spielten, eine Frau mit Einkaufstasche. Siedlungsidylle.
Ich lehnte mich an die Hauswand, steckte die Hände in die Manteltaschen und ließ meine Blicke suchend über das Gelände schweifen. Irgendwann blieben sie haften zwischen der Heizungsanlage, den Müllcontainern, einem Sandkasten und dem Ausgang der Tiefgarage, alles halb verdeckt hinter verwahrlostem Gebüsch.
Ich stieß mich von der Wand ab und näherte mich unauffällig. Bei meiner vorsichtigen Inspektion stellte ich fest, dass es neben dem Ausgang der Tiefgarage eine Eisentür gab. Sie war mit einem Kettenschloss versperrt.
Mein Bolzenschneider lag im Auto unter dem Fahrersitz. Ich versteckte ihn unter meinem Trenchcoat. Als ich begann das Schloss aufzubiegen, wurde ich erwischt. Zwei kräftige Halbwüchsige, vermutlich von ihren gelangweilten Müttern aufgehetzt, pfuschten mir ins Handwerk und hielten mich fest, bis die Polizei anrückte.
In dem fensterlosen, muffigen Raum, den wir gemeinsam betraten, saß eine Frau zwischen allerlei Gerümpel und Schrott. Sie hatte nur Wasser und Brot, schien aber dennoch in bester Verfassung. Es war Olga.
Sie sprang auf und kam mir entgegen. »Endlich mich gefunden!« Sie streckte mir einen braunen Umschlag entgegen. »Das für Sie, Grüße von Steinfeld.«
Meine Freude hielt sich in Grenzen. Ich wandte mich ab und gab vor, sie nicht zu kennen.
Einer der Uniformierten schnappte sich den Umschlag. Ich musste mit ansehen, wie er meine 20.000 Euro Schein für Schein daraus hervorzog.
»Das ist für Frau!«, protestierte Olga.
Vergebens.
Als mein Mann mich in der U-Haft besuchte, erklärte ich ihm, dass mein Schicksal davon abhänge, wann Steinfeld endlich wieder auftauche und dass mir hundeelend sei.
»Ich hab was für dich«, sagte er, legte ein Buch auf den Tisch und schob es zu mir herüber. »Das wird dich ablenken. Ich habs noch nicht aus, aber ich lass es dir gern hier.«
Ein Lesezeichen steckte etwa in der Mitte zwischen den Seiten. Ein weißer Klebestreifen leuchtete mir vom Buchrücken entgegen. Leise murmelte ich den Titel vor mich hin. Auf der Rückseite des in Folie eingeschweißten Bandes befand sich ein Foto des Autors: ein grauhaariger Tausendsassa.
»Nein, nein, nein!«, schrie ich und trommelte auf die Tischplatte. Wie ich ihn hasste, diesen Cornell Woolrich.
Hinter dem großen Wasser
Wenn sie dir von mir erzählen, lieber Vince, bin ich längst weg. Ich habe meine Hammer in die Hufe genommen und unseren Lieblingswald verlassen. Ihr werdet mir fehlen, aber es ist besser so, glaube mir, für die ganze Rotte. Denn man wird mich suchen. Und wie ich die Grünen kenne, werden sie nicht ruhen, ehe sie mich gefunden haben und dabei vor
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