Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
Vom Netzwerk:
nachdenken. Er war eben nicht der Schnellste.
    Als Margit im granatroten, langen, ärmellosen Kleid die Treppe herunterkam, saß er schon wieder am Tisch. Ein wenig atemlos zwar, aber Margit bemerkte es nicht, sie war mit sich selbst beschäftigt. Sie drehte sich vor seinen Augen, sodass er auch den tief ausgeschnittenen Rücken sehen konnte. Alles wunderbar.
    Sie aßen bei Kerzenschein. Das Fleisch war zart.
    »Du isst ja gar nichts«, stellte Margit nach einer Weile fest.
    »Ich glaube, ich bin einfach zu müde.«
    Sie sprach über ihre Ehe und die vergangenen Jahre, Tom war schweigsam, und sie tranken zu viel dabei. Nach Mitternacht ließen sie alles stehen und liegen. Er trug sie vielleicht noch die Treppe hoch ins Bett und bat sie, das rote Kleid nicht abzulegen. Arm in Arm lagen sie nebeneinander auf dem Rücken.
    Auf ihr Drängen tat er weiterhin hundemüde und schob alles auf die Überstunden.
    »Lass uns einfach nur hier liegen.«
    »Heute ist doch unser Hochzeitstag.«
    »Morgen wieder, ja?«
    »Morgen?«, fragte sie enttäuscht zurück.
    »Hoch und heilig.«
    Sie wurde wach, weil ihr etwas Weiches um die Ohren flog. Automatisch und ohne die Augen zu öffnen, griff sie danach und fühlte etwas Plüschiges. Sie zuckte zusammen. Sie blinzelte und entdeckte den schwarz-weißen Belgischen Riesen in ihrer Hand, in dessen weichem Plüschfell ein paar Heuhalme steckten. Die Bettseite neben ihr war leer.
    Kein Wunder.
    Da stand er in der Tür, breitbeinig wie ein Cowboy, in der einen Hand die blutverschmierte Holzkeule, das Fellmesser in der anderen, mit jenem überirdischen und irgendwie illuminierten Ausdruck in den Augen, ja, diesem unbeirrbaren Blick, den er immer hatte, wenn ...
    Die Dielenlampe hinter ihm warf einen langen Schatten aufs Bett, deswegen konnte sie diesen Blick sicher nicht erkennen. Sonst hätte sie nicht weiter gespielt, wäre nicht – scheinbar ergeben wie ein Kaninchen – auf die Bettkante gerutscht, hätte nicht das rote Kleid über die Knie gezogen, den Kopf tief gesenkt und ihm ihren bloßen Nacken dargeboten.
    Wie ich sie kenne, wird sie auch noch »Tu, was du nicht lassen kannst« gesagt haben. Mit einem feinen Lächeln, ganz sicher, dass er die Waffen strecken und endlich das tun würde, was er ihr gestern Abend versprochen hatte. Hoch und heilig.
    Nun ja.
    So und nicht anders muss es gewesen sein.
    Alles, was ich hoffen kann, ist, dass Tom bei Margit genauso sauber und endgültig zugeschlagen hat, wie er das bei den Losern tat. Und ich kann nur von Glück sagen, dass er danach das Fellmesser nicht benutzt hat. Wegen des Anblicks, meine ich.
    Ich taste das für mich bestimmte Geschenk auf der Frisierkommode im Schlafzimmer ab, kann aber nicht genau sagen, um was es sich da handelt. Von der Größe her kein Buch. Ich kann es unmöglich jetzt noch an mich nehmen. Das wäre pietätlos.
    Ich nehme auch die Geschenke für meine Freunde wieder an mich, die ich in der Diele abgesetzt habe, ziehe die Haustüre leise hinter mir zu, steige in meine nassen Schuhe, sehe die Straße hinauf und hinab. Alles ruhig. Es hat nicht wieder angefangen zu regnen. Ich marschiere durch die Dunkelheit nach Hause. Lautlos fast.
    Auch wenn ich mir den Abend anders vorgestellt habe, kann ich ihn doch als Erfolg verbuchen. Ich finde, ich kann stolz auf mich sein, die Lösung des Rätsels auf Anhieb gefunden zu haben.

Hot Chocolate
    Die ganze Angelegenheit war Max mehr als peinlich. Seine Kollegen hatten ihm mit einem unmissverständlichen Grinsen, Schulterklopfen und Augenzwinkern einen Gutschein für ein »Wellness-Wochenende für den Herrn« zum 50. geschenkt. Anreise am Freitag, Abreise Sonntagnachmittag. Das sah ihnen gar nicht ähnlich. Sie hatten über solche Schönheits-Tempel immer hergezogen. Er solle die Augen aufhalten, dort wimmele es von reichen, einsamen Frauen.
    Auch Max' Frau fand die Idee grandios. Sie selbst hatte das Hotel in der Eifel schon öfter aufgesucht und den Kollegen den entscheidenden Tipp gegeben. Sie werde diese Zeit leicht ohne ihn herumbekommen, da solle er sich mal keine Sorgen machen. Sie könne eine Freundin besuchen und bei ihr übernachten. Dann hätten sie viel Zeit zum Reden, endlich einmal, und zum Ausschlafen, endlich einmal.
    Max parkte in Simmerath zwischen einem BMW und einem Mercedes Coupé. Ein kurzer Blick reichte aus, um zu erkennen, dass sein Auto das bescheidenste auf dem Parkplatz war. Misstrauisch betrachtete er durch die Windschutzscheibe das rosafarbene,

Weitere Kostenlose Bücher