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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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konnte ihm ansehen, dass ihm die ewige Reiserei langsam auf die Nerven ging. Er war ja nicht mehr der Jüngste.
    »Bis morgen wird uns etwas einfallen«, glaubte Maria und begann, ihr Kind zu stillen.
    Am anderen Morgen standen Maria und Josef mit Christa, den in kostbare Gewändern gekleideten Jungen und dem Esel vor der Stalltür, blickten sich nach allen Himmelsrichtungen um und wussten nicht, wohin, als Christa ein Ärmchen in die Luft reckte und mit dem winzigen rosa Däumchen scharf gen Westen zeigte.
    »Welches Land liegt dort?«, fragte Maria.
    »Keine Ahnung«, meinte Josef.
    »Dann gehen wir dorthin«, entschied sie und kletterte mit ihrem Kind auf den Esel. »Auf geht’s, Jungs!«
    Die vier nackten, angebundenen Männer sahen der Familie nach, wie sie am Horizont verschwand. Heulen und Zähneknirschen machten sich breit.
    »Da! Seht, wie sie ins Abendland ziehen, in die Pfalz«, rief Melchior, der Sterndeuter. »Dort ist es warm.«
    »Wir dagegen werden hier erfrieren«, lamentierte Balthasar, der Philosoph.
    »Wenn nicht, wird der König uns umbringen lassen«, jammerte Caspar, der Kaufmann.
    Balthasar blickte in den Himmel. Ein Geier umkreiste lauernd den hellen Stern mit dem Schweif. »Wenn nicht, dann wird der da oben es machen!«
    So vertieft waren sie in ihr Elend, dass sie Nathan, den Magier, nicht weiter beachteten. Plötzlich aber wirbelte dieser vor ihnen herum und breitete die Arme aus. Seine Fesseln lagen in einem Knäuel im Sand.
    »Schwächlinge!«, rief er. »Befreit euch! Folgt mir!« Und er lief voraus und verschwand bald in einer Wolke aus rotem Staub.
    »Aber wir sind nackt!«, rief Caspar, der Kaufmann, ihm nach. »Was sollen die Leute von uns denken!«
    »Und wir sind Edelmänner«, stimmten die anderen beiden ein. »Ohne unsere Kleider sieht das niemand!«
    Und so konnte es geschehen, dass Jakobus und seine Brüder, die auf Geheiß von Maria zurückkehrten, nur noch drei nackte, angebundene Männer antrafen, die sie kurzerhand erschlugen, damit sie dem alten König nicht von Christa berichten konnten.
    Sicher ist sicher, hatte Maria befohlen.

Der Rätselfreund
    Ich weiß nicht, welche Schlüsse Sie ziehen würden, wenn Sie beladen mit Geschenken vor der Haustüre Ihrer besten Freunde stehen, um mit einem leckeren Essen und einigen hübschen Rätseln ihren fünfzehnten Hochzeitstag nachzufeiern, Ihnen aber trotz wiederholten Läutens niemand öffnet. Die Rollläden sind vor allen Fenstern heruntergelassen, das Auto steht im Carport.
    Sie besitzen einen Zweitschlüssel für Notfälle und fragen sich ein paar Minuten lang, ob es sich hier um einen Notfall handeln könnte.
    Sie genießen aber als Trauzeuge auch so viel Vertrauen, dass Ihre Freunde es Ihnen nicht übel nehmen werden, wenn Sie öffnen, selbst wenn alles in Ordnung ist.
    Also öffnen Sie und rufen die Namen der beiden abwechselnd lauthals, ohne einzutreten. Tom! Margit! Niemand antwortet.
    Die beiden wollten ihren speziellen Tag wieder ganz allein begehen, in aller Intimität. So machten sie es jedes Jahr. Klingel, Telefon und Fax wurden abgestellt. Kein Besuch zugelassen. Nur Margit und Tom.
    Liegen sie etwa immer noch im Bett? Ist die Klingel etwa immer noch abgestellt? Sie ziehen Ihre Schuhe vor der Haustüre aus, die sind vermatscht, es hat geregnet, und Sie lassen sie unter dem Vordach stehen.
    Sie stellen die Geschenke in der Diele ab und betreten aus Diskretion zuerst die Küche, in der ein ungewöhnliches Chaos herrscht. Niemand hat abgespült. Es riecht nach abgestandenem Fett. Töpfe türmen sich. Das Radio läuft nicht. Es scheint, als hätten Tom und Margit fluchtartig das Terrain verlassen. Eine Hochzeitsreise? Das kann nicht sein. Das konnten sie sich gar nicht leisten.
    Im angrenzenden Esszimmer finden Sie die Überreste eines festlichen Essens für zwei Personen. Den Teller Ihres Freundes vor seinem Stammplatz zieren Kaninchenteile, ein Häufchen Mais und eine Portion Kartoffelgratin. Er scheint so gut wie unberührt, die Sauce ist angetrocknet.
    Während der Teller gegenüber leergeputzt ist. Dazwischen stehen zwei abgebrannte Kerzen und zwei leere Rotweinflaschen, zwei verschmierte Gläser, eines mit Lippenstiftspuren.
    Des Weiteren entdecken Sie Hochzeitstagsgeschenke für Tom. Zwei Fachbücher über Kaninchenzucht und als Draufgabe etwas Lustiges, womit er sicher nicht gerechnet hatte: »Mein verschwundenes Kaninchen.«
    Am Boden liegt ein großer, weißer, flacher Karton, in dem sich nur zerknülltes

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