Die Eifelgraefin
er ein offenes Hilfsangebot aussprach, konnte dies als Interesse an Elisabeth gewertet werden. Die Sache nagte dennoch an ihm, weshalb er überlegte, ob er nicht über Ostern Zeit finden würde, auf der Küneburg nach dem Rechten zu sehen. Diesen freundschaftlichen Dienst, so hatte er das Gefühl, war er Elisabeth irgendwie schuldig.
Er schulterte sein Bündel und machte sich entschlossen auf den Weg nach unten. Auf Höhe der Steinkammer blieb er stehen, ärgerte sich über sich selbst, durchquerte den Raum und öffnete die Tür zu Hedwigs Kemenate.
Elisabeths ungewohntes Lächeln, als sie sich umdrehte und ihn erkannte, traf ihn wie ein Hieb in die Magengrube. Obwohl seine innere Stimme ihm riet, sofort kehrtzumachen, trat er ein. «Ihr seid fleißig?», bemerkte er und blickte auf ihre Handarbeit.
«Wie Ihr seht.» Elisabeth bemühte sich um eine ruhige Stimme, doch so ganz wollte sie ihr nicht gelingen. «Ein Taufgeschenk für die kleine Agnes», erklärte sie, legte die bunten Fäden beiseite und faltete ihre Hände im Schoß. Esfiel ihr schwer, Ruhe zu bewahren, denn er trat noch näher und blieb direkt vor ihr stehen. Der Instinkt, der ihr zur Flucht riet, kämpfte mit dem Gefühl, nun tatsächlich eine Gelegenheit erhalten zu haben, den Rat des Kaufmanns zu befolgen. Ehe sie darüber jedoch eine Entscheidung fällen konnte, bemerkte er: «Ihr solltet Euch einen Schal umlegen. Es ist kühl hier am Fenster.»
Schweigend stand Elisabeth auf und legte sich das blaue Schultertuch um, welches hinter ihr über der Lehne ihres Stuhls gehangen hatte.
«Seid Ihr hierhergekommen, um mir das zu sagen?», fragte sie und sah ihm, da sie ihm nun von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, geradewegs in die Augen.
Johanns Blick flackerte überrascht, dann schüttelte er den Kopf. «Nein. Aber da Ihr mir bereits mehrfach unhöfliches Verhalten und fehlende Manieren vorgehalten habt, dachte ich, es sei angebracht, mich vor meiner Abreise nach Mayen zu verabschieden. Und da die Möglichkeit besteht, dass Ihr bei meinem nächsten Besuch in Kempenich bereits wieder zu Hause weilt, bietet sich hiermit auch die Gelegenheit, den Eindruck, den Ihr von mir gewonnen habt, wenigstens teilweise zu verbessern.»
«Das wäre dann wohl aber ein äußerst geringer Teil des Gesamteindrucks», konnte sie sich nicht verkneifen zu antworten. Sie wappnete sich bereits gegen einen gereizten Konter seinerseits, doch dieser blieb aus.
«Elisabeth …» Er schüttelte den Kopf. «Ist Euch schon einmal der Gedanke gekommen, dass Ihr ziemlich unbarmherzig mit Menschen ins Gericht geht, von denen Ihr nur wenig wisst?»
Überrascht blinzelte sie. «Dieser Mangel an Wissen liegt aber ganz sicher nicht an mir, sondern an der Art, wie jene Menschen, von denen Ihr sprecht, sich weigern, Einblicke in ihre Gedanken zu gewähren. Ihr müsst also schon verzeihen, dass ich somit gezwungen bin, nach dem äußeren Bild zu urteilen.» Sie sah an der steilen Falte, die sich zwischen seinen Augen bildete, dass sie seinen Unmut geweckt hatte.
«Ihr seid streitsüchtig», knurrte er gereizt. «Ein vernünftiges Gespräch ist mit Euch nicht möglich. Ich weiß selbst nicht, warum ich mich immer wieder darauf einlasse.»
«Nun, da Ihr Euch verabschiedet habt, wie es Euer Vorsatz war, braucht Ihr meine Gegenwart ja nicht weiter zu ertragen.» Sie reckte das Kinn und drehte sich würdevoll zum Fenster um, damit er an ihrer Miene nicht erkennen konnte, welche widerstreitenden Gefühle in ihr tobten. Bei seinem Eintreten in die Kemenate hatte sie sich wirklich vorgenommen, Martins Rat zu beherzigen. Aber – bei Gott – sie konnte es nicht. Sie schaffte es nicht, über ihren Schatten zu springen und zu diesem verschlossenen und rätselhaften Mann durchzudringen. Und sie hatte Angst davor, was geschehen würde, wenn es ihr doch gelang.
Sie stützte sich auf dem breiten Fenstersims ab und starrte demonstrativ hinaus. Was brachte es schon, wenn sie sich von ihm das Herz brechen ließ?
Ohne sich zu ihm umzudrehen, sagte sie: «Ich halte es für angebracht, dass Ihr diesen Raum jetzt verlasst. Es schickt sich nicht, dass ich mich so lange mit einem Mann allein in einem Raum aufhalte. Ich wünsche Euch eine gute Reise und ein gesegnetes Osterfest. Ach und …» Nun drehte sie sich doch zu ihm um. «Meine besten Grüße anEure Braut.» Sie zog sich das Tuch fester um die Schultern und wandte sich wieder dem Fenster zu.
Johann starrte einen Moment lang auf ihren
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