Die Eifelgraefin
erschrocken an. «Ihr meint zu Eurer Burg? Ist das denn sehr weit weg?»
«Nun, je nach Wetterlage drei bis vier Tagesreisen mitdem Reisewagen. Zu Pferd geht es schneller.» Elisabeth sah sie prüfend an. «Würdest du hier nicht wegwollen?»
Luzia rieb erneut an ihrem Knie. «Ich weiß nicht», kam zögernd ihre Antwort. «Meine Familie lebt hier. Ich war noch nie weit fort.»
«Zwingen werde ich dich jedenfalls nicht», beruhigte Elisabeth sie. «In nächster Zeit werde ich sowieso nicht heimreisen können …» Sie verstummte und dachte mit Besorgnis an ihr Zuhause und an ihre Eltern. Und an ihren Onkel Dietrich, der ihnen mit einer Fehde gedroht hatte.
Entschlossen richtete sie ihre Gedanken wieder auf das Hier und Jetzt.
«Löse deine Haare», forderte sie Luzia auf. «Ich möchte, dass du sie kämmst und wäschst. Hast du Läuse?»
«Nein, Herrin.»
«Gut, dann sorgen wir dafür, dass es auch so bleibt. Ich hasse Ungeziefer.» Entschlossen griff Elisabeth nach dem Kamm, den sie auf dem Rand des Zubers abgelegt hatte.
Luzia löste den festen Knoten an ihrem Hinterkopf und entwirrte dann den Zopf.
Elisabeth sah ihr mit wachsender Verwunderung dabei zu. «Du hast ja Locken, Mädchen! Und was für welche.» Sie nahm eine der rotgoldenen Strähnen zwischen die Finger. «Und so eine Pracht versteckst du?»
Luzia zuckte zurück. «Ich verstecke gar nichts», widersprach sie. «Aber ich kann ja schlecht mit offenen Haaren arbeiten. Und dann stören sie mich auch meistens. Und ich … ich finde meine Haare gar nicht schön.» Erschrocken klappte sie den Mund wieder zu.
Elisabeth schüttelte verständnislos den Kopf und reichteihr den Kamm. «Warum denn nicht? Jede Frau wäre sehr stolz auf diese Haarpracht.»
Luzia nahm den Kamm gehorsam entgegen und begann, ihre Haare zu entwirren. «Aber das ist alles Eitelkeit, sagt Vater Anselm. Das ist unser Pfarrer in Blasweiler. Und Eitelkeit ist eine große Sünde. Und außerdem hat er gesagt, dass solche krausen Locken auf einen ebensolchen Geist schließen lassen und auf einen schlechten Charakter, weil sie auch noch rot sind.»
Verblüfft starrte Elisabeth sie einige Augenblicke lang an, dann brach sie in erheitertes Gelächter aus. «Was sollen denn bitte deine Haare mit deinem Charakter zu tun haben?» Sie griff erneut nach der Seife. «Tauch unter», befahl sie, und Luzia gehorchte. «Und nun seif dir die Haare ein. Elisabeth sah ihr dabei zu und legte dann den Kopf auf die Seite. «So einen Unsinn über rote Haare habe ich noch nie gehört. Du solltest stolz auf deine schönen Locken sein. Außerdem sind sie ja gar nicht feuerrot, sondern eher wie …» Sie überlegte. «Wie rotes Gold.»
Überrascht hielt Luzia inne. «Rotes Gold? Gibt es denn so etwas?»
«Aber ja. Meine Mutter besitzt eine Kette aus rotem Gold», bekräftigte Elisabeth. Sie stand umständlich auf, spähte gebückt durch den Vorhang und kletterte dann aus dem Zuber. Rasch griff sie nach einem großen Leinentuch, trocknete sich ab und wickelte sich darin ein. Dann klappte sie eine Seite des Vorhangs zur Seite, nahm einen Lappen und begann, Luzias Rücken zu waschen.
«Halt, Herrin, das geht doch nicht!», protestierte Luzia erschrocken, doch Elisabeth schüttelte nur tadelnd denKopf. «Willst du dir den Rücken vielleicht selbst waschen? Nun halt schon still und gib mir lieber die Seife. Du hast es nämlich wirklich nötig.»
Erst, nachdem sich Luzia zweimal eingeseift hatte und mehrere Male ganz untergetaucht war, ließ Elisabeth sie ebenfalls aus dem Zuber steigen. Sie reichte ihr ein Tuch zum Abtrocknen, doch als Luzia nach ihrem Kleid greifen wollte, hielt sie sie am Handgelenk zurück. «Warte. Das Kleid ist schmutzig und hässlich. Besitzt du noch ein zweites?»
«Ja, Herrin. Ein gutes Kleid für Sonn- und Feiertage», antwortete Luzia verunsichert.
«Gut, dann zieh das an. Dieses hier wirst du verbrennen.»
«Was? Aber das geht nicht, Herrin. Dann habe ich doch nur noch ein einziges Kleid!»
«Darum werden wir uns schon kümmern», sagte Elisabeth in entschlossenem Tonfall, von dem sie wusste, dass er ihr Autorität verlieh. Luzia schwieg folgsam, doch dann fragte sie: «Und wie soll ich nach oben kommen? Ich kann doch nicht nackt hinaufgehen.»
Elisabeth, die bereits dabei war, sich anzukleiden, nickte. «Da hast du allerdings recht. Aber bis zur Treppe ist es nicht weit. Wickle dich einfach in das große Tuch, das reicht dir vom Hals bis zu den
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