Die Eifelgraefin
ihre Belustigung nicht anmerken zu lassen. «Nun rede schon vernünftig!»
Luzia sah sie zögernd an, dann holte sie Luft. «Sie sagt, es wär nicht richtig, wenn eine Herrin einem so ein wertvolles Kleid schenkt, und dass es mich eitel machen würde, wenn ich es annehme. Und dann vergesse ich am Ende, wo ichherkomme, und meine, dass ich was Besseres bin. Und das ist nicht gut, das sagt auch Vater Ambrosius immer.»
Elisabeth stand auf, legte den Stoff beiseite und trat an eines der Fenster. Den Lachanfall, der in ihr hochsteigen wollte, versuchte sie krampfhaft zu unterdrücken. «Und …» Erst, als sie sich wieder unter Kontrolle hatte, drehte sie sich wieder um. «Und was sagen die anderen Mägde dazu?»
Luzia sah unsicher zu ihr hinüber. «Nichts. Thea meinte, ich soll das Kleid ruhig annehmen, weil Ihr eine freundliche Herrin seid und so. Und Leni auch. Aber Trudi hat gemeint …»
«Und wer ist diese Trudi, dass du ihrer Meinung so viel Gewicht beimisst?»
Luzia hob die Schultern. «Sie … also, ich glaube, sie kennt sich aus. Und sie hat …»
«… vermutlich noch niemals woanders als in der Küche gearbeitet», vollendete Elisabeth den Satz. «Ich rate dir, gib nicht so viel auf ihr Geschwätz. Wer sagt dir übrigens, dass sie nicht in Wahrheit einfach nur neidisch ist?»
«Neidisch?» Überrascht hob Luzia den Kopf. «Auf mich?»
«Wäre das so unvorstellbar?» Elisabeth lächelte ihrer Magd zu. «Nun komm, setz dich neben mich, dann kannst du mir dabei zusehen, wie ich die Stoffkeile einsetze. Ich möchte, dass du es auch lernst, das Nähen, meine ich. Dann kannst du mir später mal bei der Flickwäsche helfen.»
***
Als Elisabeth die Näharbeit am Oberteil des Kleides beendet hatte, ging sie zu Bett. Sie schlief bald ein, erwachte jedoch eine Weile später wieder und starrte zum Betthimmel hinauf. Was für ein Geräusch war das eben gewesen?
Der Mond, gerade zu drei Vierteln gerundet, strahlte ungewöhnlich hell und beleuchtete die Schlafkammer mehr, als es ein Halter voller Kerzen vermocht hätte. Elisabeth sah sich um und setzte sich dann verblüfft auf, als sie am mittleren der fünf Fenster einen Schatten erblickte.
«Luzia? Was machst du da? Warum schläfst du nicht?»
«Oh, Herrin, Verzeihung. Habe ich Euch geweckt? Das wollte ich nicht.» Luzia drehte sich um und kam langsam auf das Bett zu. In der Hand hielt sie einen Gegenstand, der im Mondlicht kurz aufblinkte. «Ich konnte nicht einschlafen, und da hab ich – na ja – ich hab an zu Hause gedacht. Und gebetet.»
«Gebetet?» Elisabeth winkte ihre Magd zu sich heran und klopfte dann einladend auf die Bettkante.
Zögernd ließ Luzia sich darauf nieder. «Ja, ich bete oft für meine Familie und … auch für Euch und …»
«Das ist sehr nett von dir.» Elisabeth schauderte leicht und spürte eine Gänsehaut über ihren Rücken wandern. «Was hast du da in der Hand?»
Luzia hielt ihr den Gegenstand hin, und Elisabeth betrachtete ihn neugierig. «Ein Kruzifix?»
Luzia nickte.
«Darf ich?» Elisabeth nahm das schlichte silberne Kreuz in die Hand und schauderte erneut.
«Was ist mit Euch, Herrin? Ist Euch kalt?»
«Nein, schon gut.» Abwesend betrachtete Elisabeth dasKruzifix, das nur an den Rändern leicht ziseliert war, sonst jedoch gänzlich ohne Schmuck auskam. Sie drehte es um und sah auf der Rückseite undeutlich vier ösenförmige Vertiefungen. «Das ist ein wunderschönes Kruzifix, Luzia. Woher hast du es?»
«Meine Mutter hat es mir mitgegeben, als ich hierherkam», erzählte Luzia. «Es gehört meiner Familie schon seit langer Zeit. Ich wollte es erst nicht mitnehmen, denn es ist unser Glücksbringer, wisst Ihr. Aber Mutter hat darauf bestanden.»
Elisabeth betrachtete das Kreuz noch genauer. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie. «Seit langer Zeit, sagst du?»
«Ja, schon seit ungefähr zweihundert Jahren, sagt mein Vater.»
«Seit …?» Elisabeth schluckte und fuhr mit den Fingerspitzen über die Vertiefungen auf der Rückseite des Kruzifixes. Und plötzlich traf sie die Erkenntnis wie ein Hieb ins Gesicht.
Sie hob den Kopf und blickte ihrer Magd fest in die Augen. «Seit genau zweihundert Jahren, Luzia. Kennst du die Geschichte dieses Kruzifixes?»
Überrascht starrte Luzia sie an. «Natürlich. Vater sagt, ein Vorfahr unseres Herrn Simon habe es einst seinem Ahnvater für treue Dienste geschenkt. Und dass unsere Familien seither in Freundschaft verbunden seien.»
Elisabeth
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