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Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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lebendig. Dabei besteht es doch aus Silber.»
    Der Benediktiner nickte nachdenklich. «Stimmt, es fühlt sich ungewöhnlich an. Ob es eine Reliquie ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, denn mir ist nicht bekannt, dass es eine solche gibt.»
    «Aber das Kreuz stammt aus Jerusalem – aus dem Heiligen Land», wandte Elisabeth aufgeregt ein. «Vielleicht gehörte es ja einem Heiligen, einem der Apostel zum Beispiel. Das würde   …»
    «Das können wir nicht mit Sicherheit sagen», fiel Bruder Georg ihr ins Wort.
    «Aber auch nicht ausschließen», wagte Luzia einzuwenden. Als der strenge Blick des Geistlichen sie traf, schwieg sie jedoch.
    Elisabeth nickte. «Fest steht, dass unsere Vorfahren die beiden Teile aus dem Heiligen Land mitbrachten, und wir haben sie wieder zusammengefügt. Das muss doch eine Bedeutung haben, Bruder Georg. Also sagt, was ratet Ihr uns? Was sollen wir damit tun?»
    Bruder Georg legte das Kruzifix sorgsam in den Kasten zurück. «Haltet es in Ehren. Immerhin können wir davon ausgehen, dass Eure Ahnväter dieses Kreuz den Muselmanen entrissen haben. Was es sonst noch damit auf sich hat, werden wir vielleicht niemals erfahren. Doch ganz gewiss eignet es sich zur Andacht und Kontemplation. Dazu werden Kruzifixe schließlich hergestellt. Also betrachtet es mit Ehrfurcht, wenn Ihr Eure Gebete sprecht, und bewahrt es sorgsam auf. Ein solches Kleinod könnte nämlich durchaus Diebe anlocken.»
    «Diebe?» Luzia bekam vor Schreck kugelrunde Augen.
    Elisabeth tätschelte ihren Arm. «Keine Angst, Luzia, wir passen gemeinsam darauf auf. Und ich glaube auch nicht, dass jemand es wagt, das Kruzifix zu stehlen. Schon gar nicht, wenn niemand weiß, dass es hier ist.»
    ***
    Elisabeth und Luzia hielten sich an ihre Abmachung, das Kruzifix niemandem gegenüber zu erwähnen. Sie gewöhnten sich jedoch an, es jeden Abend hervorzuholen und, wie Bruder Georg es empfohlen hatte, eine kurze Andacht davor zu halten.
    Elisabeth änderte nicht nur das Kleid für ihre Magd, sondern ging mit ihr hinunter nach Kempenich, wo sie beieinem reisenden Händler Leinen und Baumwollstoff für die Unterwäsche kaufte, die sie Luzia zu nähen gedachte. So versuchte sie sich von ihren immer öfter aufkeimenden düsteren Stimmungen abzulenken. Schon seit Tagen erwartete sie Nachricht von der Küneburg – ihre Mutter hatte ihr fest versprochen, alsbald einen Brief zu schicken. Doch die Nachrichten blieben aus, und so begann sich Elisabeth mehr und mehr um ihre Familie zu sorgen. Sie überlegte sogar, ob sie Simon bitten sollte, einen Boten zu schicken, der sich nach dem Wohlergehen derer von Küneburg erkundigen sollte.
    An einem sonnigen Oktobermorgen war sie wieder einmal besonders wortkarg, sodass Luzia, die ihr gerade die Haare zu einem dicken Zopf flocht, sie besorgt musterte.
    «Geht es Euch nicht gut, Herrin? Ihr seid so still, und Ihr seht ein wenig blass aus, will ich meinen.» Sie schlang ein weißes Haarband um das Ende des Zopfes und wollte sich daranmachen, ihn hochzustecken, doch Elisabeth winkte ab. «Lass gut sein, Luzia. Geh und hol mir meine Schuhe; ich möchte einen Spaziergang machen.»
    Luzia gehorchte und folgte wenig später ihrer Herrin hinunter in den Burghof. Beide hatten sich warme Schultertücher umgehängt, denn obwohl das Wetter sich noch immer erstaunlich gut hielt, wurde es langsam empfindlich kalt. Ein leichter Wind war aufgekommen und ließ die herbstlich verfärbten Blätter raschelnd über den Burghof tanzen.
    «Ich sorge mich», begann Elisabeth unvermittelt, nachdem sie bereits eine halbe Runde durch den Hof gegangen waren. «Seit Wochen habe ich nichts von daheim gehört.Meine Mutter wollte mir regelmäßig Nachricht geben. Nun, da sie es nicht tut, fürchte ich, es könnte etwas vorgefallen sein, das sie davon abhält, mir zu schreiben.»
    «Eure Mutter kann schreiben?», fragte Luzia überrascht. «Verzeiht, Herrin, aber schreiben können doch nur Geistliche und Nonnen und   … Männer wie Simon, oder?»
    Elisabeth schüttelte den Kopf. «Es gibt viele Frauen, die lesen und schreiben können. Meine Mutter hat es zum Beispiel gelernt, um im Falle eines Falles, also wenn meinem Vater etwas zustoßen sollte, unsere Ländereien weiter verwalten zu können. Denn das müsste sie so lange, bis mein Bruder alt genug ist, um Herr der Küneburg werden zu können. Und Hedwig kann auch lesen und schreiben. Die meisten Burgfrauen lernen es als junge Mädchen.»
    «Ihr auch?»
    «Ja, ich auch.»

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