Die Eifelgraefin
über seine Schulter und dann auf Elisabeth. «Habt Ihr die beiden da drin eben gesehen?»
Elisabeth spürte, wie eine leichte Röte ihre Wangen überzog, und war dankbar für das wenige Licht, das die Fackeln vor dem Stalleingang nur verbreiteten.
«Ihr hättet sie aufscheuchen und rausschmeißen sollen», brummte Johann und reichte ihr den Brief. «Wenn sie sich schon vergnügen wollen, dann bitte nicht in dem Heu, das mein Pferd zu fressen bekommen soll.»
«Wie bitte?» Fassungslos starrte Elisabeth ihn an.
Er musterte sie erstaunt. «Ist Euch das etwa entgangen? Die beiden sind schon lange ein Paar, mehr als … acht Jahre», sagte er nach kurzem Überlegen. «Heiraten können sie ja nicht, denn woher sollten sie wohl das Geld für einen Hausstand nehmen? Und Simon würde es auch gar nichterlauben. Aber dass sie es jetzt ausgerechnet im Pferdestall treiben müssen …» Er brach ab, als er ihr Gesicht sah, und deutete stattdessen auf den Brief. «Euer Vater lässt ihn schicken», teilte er ihr mit, was Reinher ihm aufgetragen hatte. «Er enthält wohl ein Schreiben Eures Verlobten.» Wie zum Beweis deutete er auf die beiden Siegel, die das Pergament aufwies. Das von Kunibert von Kronach war aufgebrochen, denn natürlich hatte Elisabeths Vater den Brief gelesen. Das zweite Siegel war das der Küneburger, mit dem Friedebold das Schreiben wieder verschlossen hatte.
«Kunibert schreibt mir?» Elisabeth blickte erschrocken und erfreut zugleich auf den Brief. «Ist er von seiner Reise endlich zurück?»
«Ich nehme es an.» Johann nickte. Er hatte den hoffnungsvollen Unterton in ihrer Stimme wahrgenommen und musterte sie aufmerksam. «Ihr vermisst ihn?»
Elisabeth hob den Kopf und sah ihn überrascht an. «Ich …» Sein intensiver Blick verursachte ihr eine Gänsehaut, worüber sie sich maßlos ärgerte. «Ich wäre hocherfreut, wenn er wieder zurück wäre. Um … um ihn zu vermissen, kenne ich ihn nicht gut genug», setzte sie hinzu.
«Wohl aber genug, um ihn zu heiraten.»
Sie schnappte empört nach Luft. «Das ist ja wohl etwas ganz anderes, Herr Johann.»
«Mag sein.» Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.
Elisabeth schnaubte verärgert, drehte sich um und ging davon.
«Vergesst nicht, Euch um Eure kecke Magd zu kümmern!», rief er ihr hinterher.
Elisabeth blieb stehen und fuhr erbost zu ihm herum. «Sie ist nicht keck. Und ich habe sie nicht vergessen.» Sie kam wieder auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen. Ihre Augen funkelten zornig. «Hört auf damit.»
Verblüfft starrte er sie an. «Aufhören? Womit?»
Sie holte tief Luft. «Mir so unverschämt zu begegnen. Ich erlaube es nicht.»
«Erlaubt es nicht?», echote er und spürte, wie sich auch in ihm der Ärger zu regen begann. Was bildete sich dieses Weib eigentlich ein? Hielt sie sich für so wichtig?
«Ganz recht», fauchte sie. «Ich erlaube es nicht. Und nur weil … weil …»
«Weil was?»
Seine blauen Augen wirkten im Widerschein der Fackeln wie zwei dunkle Eiskristalle. Elisabeth bemühte sich um Fassung und versuchte gleichzeitig, seinem bohrenden Blick auszuweichen. «Ihr wisst genau, was ich meine, Herr Johann.»
«Ach ja?» Er legte sein Bündel und die Satteltasche neben sich auf den Boden.
«Ihr habt Euch gestern erdreistet, mich anzufassen», stieß sie zornig hervor. «Wagt das nicht wieder, denn sonst …»
«Sonst was?» Er bewegte sich eine Winzigkeit auf sie zu und beobachtete, wie sich ihre Pupillen wie am Vorabend erschrocken weiteten. Nun wirkten ihre Augen in dem flackernden Zwielicht ringsum fast schwarz. «Was?», hakte er nach. «Was würdet Ihr dagegen unternehmen?» Irgendwo in seinem Kopf wisperte eine Stimme und mahnte ihn zur Vorsicht, doch er ignorierte sie. Bevor sie zurückweichenkonnte, hatte er sie wie am Abend zuvor am Nacken gefasst und zog sie an sich.
Elisabeth sog hörbar die Luft ein. Sie hob die Hände und drückte sie gegen seine Brust, um ihn von sich zu schieben, doch natürlich hatte er wesentlich mehr Kraft als sie. Mit der freien Hand umfasste er ihre Taille, sodass sie nicht mehr in der Lage war, sich zu befreien. Hilflos und mit heftig pochendem Herzen beobachtete sie, wie sich sein Gesicht langsam dem ihren näherte. Sie spürte seinen Atem über ihre Wange streichen. Dicht vor ihrem Gesicht hielt er inne, sodass sich ihre Lippen beinahe berührten.
Elisabeth schluckte krampfhaft und hatte das Gefühl, plötzlich nicht mehr atmen zu
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