Die Eifelgraefin
den Pferden vorbei, umrundete die Sattelkammer und leuchtete mit ihrer kleinen Lampe in Richtung eines größeren Strohhaufens. Erschrocken wich sie ein wenig zurück, als sie den nur mit einer fleckigen Decke teilweise bedeckten Körper eines der Pferdeknechte ausmachte. Unter ihm lag eine nackte Frau mit dunklem Haar – eine der Küchenmägde – und bearbeitete die Schultern des Knechts mit ihren Fingernägeln, während er sich intensiv mit ihren vollen Brüsten beschäftigte.
Bestürzt über den Anblick, zog Elisabeth sich so schnell und leise sie konnte zurück. Am Eingang stieß sie unvermittelt mit Johann zusammen.
Vor Schreck ließ sie das Lämpchen fallen, das mit einem dumpfen Geräusch in das Stroh am Boden fiel. Sofort fingen einige Halme Feuer.
Johann fluchte und trat die aufzüngelnden Flammen aus. Dann sah er sie ungehalten an. «Ihr müsst besser aufpassen, Jungfer Elisabeth. Hier kann sehr leicht ein Feuer ausbrechen.»
Elisabeth nickte zerstreut. «Verzeihung. Ich war nur … Es tut mir leid.»
«Ist ja nichts passiert.» Als er erkannte, dass er sie ziemlich erschreckt haben musste, besann Johann sich auf seine guten Manieren. «Ihr müsst vorsichtig mit der Lampe umgehen, wenn Ihr in den Stall geht.» Er bückte sich, hob das Lämpchen auf und reichte es ihr. «Was macht Ihr überhaupt hier?» Er blickte sich um. «Schon wieder allein im Dunklen unterwegs?» Er gab seiner Stimme einen betont heiteren Ton und bemühte sich dabei nach Kräften, ihr Kleid – sie trug dasselbe wie am Abend zuvor – zu ignorieren. Entschlossen richtete er seinen Blick wieder auf ihr Gesicht.
Elisabeth trat einen Schritt zur Seite. Sie hatte sehr wohl bemerkt, wohin sein Blick gewandert war. Doch sie wollte sich um keinen Preis erneut einschüchtern lassen. «Ich bin auf der Suche nach meiner Magd», erklärte sie und bemühte sich um einen gleichmütigen Ton. «Sie ist nicht drinnen bei den anderen Mägden und ich …»
«Sie hockt auf dem Mauervorsprung vor dem Zwinger»,unterbrach Johann sie. «Zusammen mit diesem Gaukler – Roland heißt er, glaube ich. Schätze, sie halten es dort bei der Kälte nicht mehr lange aus.» Er hielt inne und grinste dann. «Der Junge singt ihr irgendwas Französisches vor. Ich wusste gar nicht, dass Eure Magd so gebildet ist.»
Elisabeth atmete erleichtert auf. «Das ist sie auch nicht», antwortete sie. «Ich meine, sie versteht kein Wort Französisch, aber Roland übersetzt ihr die Lieder immer Wort für Wort.»
«Ach, tut er das?» Johanns Grinsen verflüchtigte sich. «Und Ihr erlaubt ihr, sich allein und außerhalb Eurer Reichweite mit diesem Jungen zu treffen? Haltet Ihr das für klug?»
Elisabeth dachte an den Knecht und die Küchenmagd, die sich gerade jetzt drinnen im Heu amüsierten. «Nein», sagte sie. «Ich werde so bald wie möglich mit ihr darüber reden. Es ist nicht gut … ich meine, man weiß ja nicht … wenn er sie überredet …» Sie hielt inne und ärgerte sich, dass sie keinen zusammenhängenden Satz herausbrachte. «Ich rede mit ihr», wiederholte sie und wollte an Johann vorbei in den Hof gehen.
«Wartet!», hielt er sie zurück. Sie drehte sich um und sah ihn überrascht an.
Er trat ebenfalls wieder in den Hof. «Ich muss Euch noch etwas geben. Einen Brief, den mir der …»
«Einen Brief?»
Er nickte. «Auf dem Weg nach Mayen traf ich Reinher von Heldweg, der auf dem Weg hierher war. Er hatte es eilig, und deshalb bot ich ihm an, die Nachrichten, die er Euch überbringen sollte, an seiner Stelle herzubringen. Er lässt Euch übrigens grüßen.» Johann ging zu dem Pfosten,an dem er seinen falben Hengst angebunden hatte. «Einen Moment», sagte er in Elisabeths Richtung. Dann führte er das Tier in den Stall. Elisabeth hielt erschrocken die Luft an. Sie hörte Johann leise fluchen, dann ein Rumoren, und im nächsten Moment flitzte die Küchenmagd Trudi an Elisabeth vorbei in Richtung Tor und Viehhof. Sie war nur halb bekleidet und hatte sich die fleckige Decke um den Leib gewickelt. Augenblicke später nahm Elisabeth eine weitere Bewegung im Stall wahr. Der Pferdeknecht, ebenfalls nur notdürftig bekleidet, sattelte Johanns Pferd ab und eilte dann, mit einem verlegenen Blick auf Elisabeth, ebenfalls in Richtung Viehhof davon.
Johann selbst trat wieder nach draußen; in der Hand hielt er ein längliches Bündel und eine Satteltasche, aus der er gerade ein gesiegeltes Schreiben herauszog. Mit grimmigem Gesicht blickte er
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