Die Eifelgraefin
Heidnische Sarazenen und Juden, aber keine Hexen. Vielleicht handelt es sich auch um eine wunderwirkende Reliquie. So wie das Leichentuch Christi oder das Schweißtuch der Veronika.»
«Aber warum summt und leuchtet es jetzt plötzlich?» Luzia klang nicht sehr überzeugt.
Ratlos hob Elisabeth die Schultern. «Ich weiß auch nicht. Wir haben den ganzen Abend nichts bemerkt. Erst als …» Ihr kam ein merkwürdiger Gedanke. «Erst, nachdem ich Kuniberts Brief auf die Truhe legte, fing es an.»
«Den Brief?»
Elisabeth nahm das Schreiben wieder an sich und beobachtete dabei das Kruzifix. Das merkwürdige Leuchten verlosch, und auch das Summen hörte auf. «Das ist es!» Sie legte den Brief wieder neben das Kästchen, und sofort begann das unheimliche blaue Licht wieder zu leuchten. Auch das Summen setzte wieder ein.
Sobald sie den Brief wieder fortnahm, hörte beides auf.
«Mir ist das unheimlich», konstatierte Luzia.
«Aber es hat eindeutig etwas mit diesem Brief zu tun.» Elisabeth betrachtete das Schreiben sehr genau von allen Seiten, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches daran feststellen.
«Darf …» Luzia richtete sich etwas auf. «Darf ich einmal sehen?» Nachdem das Summen und Leuchten aufgehört hatte, fühlte sie sich sichtlich wohler.
«Nur zu.» Elisabeth reichte ihr den Brief, und Luzia nahm ihn sehr genau in Augenschein.
«Ich sehe nichts Besonderes», stellte sie fest. «Nur Schriftzeichen und die Siegel.» Sie drehte den Brief. «Was ist denn das hier am Rand? Hier steht doch noch etwas, aber diese Zeichen sehen anders aus als die anderen.»
«Das ist nur eine kurze Nachricht meines Vaters an mich mit Grüßen und der Bitte, den Brief aufzubewahren. Sicher wollte er nicht wegen der paar Zeilen ein neues Pergament beschreiben. Das ist nämlich teuer, weißt du.»
Luzia nickte verstehend. «Aber ich begreife noch immer nicht …» Sehr vorsichtig hielt sie den Brief noch einmal in die Nähe des Kruzifixes, und sofort begann es wieder zu summen und zu leuchten. «Warum tut es das?»
«Ich kann es dir nicht sagen», antwortete Elisabeth.
«Ob es eine Warnung sein soll?», vermutete Luzia, schüttelte jedoch sogleich den Kopf. «Aber wovor?»
«Wir müssen Bruder Georg fragen», wiederholte Elisabeth bestimmt. «Gleich morgen früh gehe ich zu ihm. Aber versprich mir, dass du erst einmal niemandem davon erzählst.»
Luzia nickte mit ernster Miene. Elisabeth legte den Brief auf die Truhe auf der anderen Seite des Bettes. «Wir sollten jetzt versuchen zu schlafen, Luzia. Es ist schon sehr spät.» Sie blies die Kerze aus.
«Herrin, ich glaube nicht, dass ich heute Nacht schlafen kann», meinte Luzia.
Auch Elisabeth war aufgewühlt.
Dennoch fielen beide Frauen schnell in tiefen Schlaf.
***
«Das ist höchst …» Der Benediktiner runzelte die Stirn. «Bemerkenswert», beendete er den Satz, nachdem er sich selbst davon überzeugt hatte, dass der Brief bei dem Kruzifix diese seltsame Reaktion auslöste. «Etwas Ähnliches ist mir noch nie begegnet oder auch nur zu Ohren gekommen. Zwar gibt es durchaus wundertätige Reliquien, das ist nicht zu bestreiten. Doch dies hier …» Er schüttelte besorgt den Kopf. «Das ist eine Sache, mit der sich gelehrtere Männer, als ich es bin, beschäftigen sollten. Doch dazu besteht hier auf der Burg natürlich keine Gelegenheit.» Er schwieg einen Moment, bevor er weitersprach: «Seid Ihr sicher, dass das Leuchten und Summen wirklichnur auftritt, wenn man den Brief in die Nähe des Kreuzes hält?»
Elisabeth und Luzia blickten einander kurz an, dann nickten beide.
«Nun gut.» Der Benediktiner betrachtete das Schreiben noch einmal ganz genau von allen Seiten. «Es muss also an diesem Brief liegen. Oder an dem Pergament, auf dem er geschrieben wurde. Allerdings kann ich rein gar nichts Besonderes daran erkennen.»
Luzia kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. «Vielleicht ist es gar nicht der Brief selbst.» Sie hob verlegen die Schultern, als Elisabeth und Bruder Georg sie überrascht ansahen. «Ich meine, dass es vielleicht nicht mit dem Brief an sich zusammenhängt, sondern mit dem, was darin geschrieben steht.»
«Mit dem Inhalt, meinst du?» Bruder Georg betrachtete das Schreiben noch einmal. «Aber es steht nichts Ungewöhnliches darin. Die Zeilen von Graf Friedebold sind – Verzeihung – eher belanglos. Und ich kann nicht sehen, dass Herr Kunibert etwas geschrieben hätte, das für uns eine Gefahr darstellen könnte.» Er
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