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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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höre ich, wie Gerald sich von seinem Platz erhebt, die Musikanlage ausmacht und noch ein paar andere Dinge erledigt. Schließlich geht auch er. Ich habe nicht vor, lange zu bleiben. Ich will nur noch etwas ausprobieren. Ich will es hier tun und jetzt, nicht auf dem Weg ins Bad und nicht in meinem Bett. Ich lasse den heutigen Tag an mir vorbeiziehen und betrachte ihn mit Gleichmut. Dann stehe ich auf, nehme mein platt gesessenes Bettzeug, lösche die Kerze, die Gerald für mich angelassen hat, und weiß, dass ich bis zum Schluss bleiben werde.

3.
    Diesmal höre ich den Gong in der Frühe. Seine Klangwellen dringen durch die Bauchdecke in meinen Körper ein, mischen sich unter meine Traumbilder und wecken mich von innen nach außen. Als ich mich aufsetze und die Ohrstöpsel herausnehme, höre ich ihn ein weiteres Mal, wie er draußen ernst und dunkel durch die Gänge wabert.
    Ich bin erstaunt, wie ausgeruht ich mich fühle, dabei war ich bisher überzeugt davon, um diese Uhrzeit nicht ansprechbar zu sein. In schlaflosen Nächten ist halb fünf der Zeitpunkt, an dem man gedemütigt alle Hoffnungen fahren lässt, doch noch einschlafen zu können, aber noch nicht die Kraft gefunden hat, aufzustehen und sich einen Kaffee zu machen. Um halb fünf ist mein Blutdruck in guten wie in schlechten Nächten unter eine Nulllinie gesunken, die eigentlich keinen anderen Daseinszustand erlaubt als die Depression. Das hier ist eine völlig neue Erfahrung. Nicht, dass mir nach Frühsport oder Morgennachrichten zumute wäre, aber von der dumpfen Schwere, die mich sonst zu dieser Zeit umgibt, bin ich weit entfernt.
    Vielleicht liegt es an meiner ungewohnten Stimmung, aber vielleicht auch an der Kühle des Gruppenraums und seiner erhabenen Dunkelheit, die Kirchengefühle und Reste kindlicher Frömmigkeit in mir wachrufen: Wieder habe ich in dieser ersten Frühmorgenmeditation das Gefühl, einem besonderen Ritual beizuwohnen, das von mir die Disziplin der aufrechten Haltung und der absoluten Bewegungslosigkeit fordert. Mag sein, dass ich damit das Thema der Stunde schon wieder verfehle, aber genau das ist es, was ich in den beiden Sitzungen bis zum Frühstück mit Entschlossenheit übe. Es beschert mir eine Serie von extremen Körpererfahrungen und die überraschende Gewissheit, dass man nicht an zwei verschiedenen Stellen gleichzeitig Schmerzen haben kann. Eine Stelle gewinnt, die andere muss sich verziehen, wenn sie nicht genug Aufmerksamkeit vom Bewusstsein bekommt: Nacken besiegt Kopf besiegt Knie besiegt Schultern. Außerdem ist das stille Erdulden eine Tätigkeit, die mich voll und ganz beansprucht und das Denken weitgehend außer Kraft setzt. Ab und zu passiert es, dass die Schmerzen für Sekunden ganz verschwinden und erst in dem Moment wiederkehren, in dem mir ihre Abwesenheit bewusst wird. Ich bleibe streng bei meiner Disziplin. Erst in den letzten fünfzehn Minuten Gehmeditation beginne ich aus meinen Erkenntnissen der vergangenen zwei Stunden das theoretische Grundgerüst einer Schmerztherapie zu entwickeln, die die Medizinwelt revolutionieren wird.
    Das letzte Frühstück in Stille. Heute meine ich eine Leichtigkeit aus ihr herauszuspüren, die ich als allgemeine Vorfreude auf das nahende Ende interpretiere. Die Leute bewegen sich geschmeidiger umeinander, es wird weniger mit Stühlen gerumpelt oder mit Geschirr geklappert. Ich beobachte Namevergessen, wie sie sorgfältig eine Banane in kleine, gleichmäßige Scheiben zerlegt, ein hypnotischer Vorgang, an dem sich mein Blick festsaugt und nicht mehr loslassen mag, aber ich denke mir nichts dabei. Ich denke auch nicht viel außer »Baum«, »Sonne« und »großer Laubhaufen liegt immer noch da«, als ich später noch eine Weile draußen auf dem Rasen stehe, den ich gestern freigelegt habe.
    »Ich möchte Ihnen etwas zum Verlauf des heutigen Tages sagen«, sagt Gerald, als wir uns nach der Frühstückspause wieder im Meditationsraum versammelt haben. »Heute Vormittag werden wir nur zwei statt drei Stunden sitzen und das Mittagessen um eine Stunde vorverlegen. In der Mittagspause gibt es für Sie wie gestern eine Stunde Mitarbeit im Haus, und um halb zwei treffen wir uns wieder hier zu unserer letzten einstündigen Meditation. Danach wird das Schweigen aufgehoben.«
    Ein unhörbares Ah geht durch den Raum, auf den meisten Gesichtern liegt ein mühsam zurückgehaltenes Lächeln. Wir haben es fast geschafft! Fast wird mir etwas wehmütig ums Herz, wie immer, wenn irgendwo ein

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