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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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seine gewöhnt. Es kratzt kaum noch, obwohl er unrasiert ist. Ich merke seinem Kuss an, dass er gleich etwas sagen wird.
    »Ich hab noch zu tun, Mila. Als Erstes muss ich unter die Dusche. Und danach wirst du für eine Weile ins Bad gesperrt. Ich will hier nämlich was vorbereiten.«
    Meine Badezimmer-Vision war also doch nicht ganz verkehrt gewesen, nur etwas zeitversetzt. Ich frage Simon nicht, was er vorhat. Ich sehe ihm zu, wie er den Raum durchquert und das Licht im Flur einschaltet und seinen Koffer nach frischer Wäsche durchsucht. Er zieht sich aus, mitten im Zimmer. Seine Wirbelsäule, die Hinterbacken, die kräftige helle Narbe am Oberschenkel, deren Geschichte ich nie erfahren werde, wenn ich ihn heute nicht mehr danach frage. An der Badezimmertür dreht er sich noch einmal zu mir um.
    »Rauszugehen war vorhin das Einzige, was mir einfiel.«
    »Es war die beste Idee überhaupt«, sage ich. »Was hast du gemacht?«
    »Nach Bäumen getreten. Gleichmut geübt. Geld aus dem EC-Automaten geholt. Und du?«
    »Na, Abitur«, sage ich.

9.
    Es ist viel zu heiß im Bad. Die Temperatur steigt zusammen mit meiner Ungeduld immer weiter an, obwohl ich die Heizung schon vor zehn Minuten ausgemacht habe. Ich sitze so aufgetakelt auf dem Badezimmerhocker, wie es meine begrenzten Ressourcen an Garderobe und Make-up zulassen, und frage mich, ob ich nicht zu voreilig gewesen bin mit meinem neuen Abitur und hinter der Tür womöglich noch die mündlichen Prüfungen auf mich warten. Es gibt keine inspirierenden Geräusche, deren Herkunft ich erraten könnte, kein Rumpeln, Scheppern oder Möbelrücken. Was auch immer Simon tut, er tut es mit allergrößter Behutsamkeit. Die Stille macht mich zappelig. Ich will raus hier. Ich stehe auf und mache ein bisschen Lärm, ich lasse den Verschluss der Zahnpastatube von weit oben herab ins Waschbecken fallen und klappe die Puderdose ein paar Mal mit Entschiedenheit zu, damit Simon weiß, dass ich noch am Leben bin. Es sind mindestens fünfzehn Minuten, die ich hier schon verbracht habe. Was kann einer da draußen in fünfzehn Minuten vorbereiten? Ein kaltes Buffet? Eine Präsentation?
    Ich gehe zur Tür und lege mein Ohr an die glatte, kühle Fläche, nur um irgendetwas zu tun, das meinem Warten Ausdruck gibt. Zu meinem größten Erstaunen kann ich jetzt tatsächlich etwas hören. Es sind Simons Schritte. Sie kommen näher. Ich merke an der kleinen Erschütterung, dass er sich von der anderen Seite gegen die Tür lehnt. Wären wir Darsteller auf einer offenen Bühne, bekämen die Zuschauer das klassische Szenario von zwei Liebenden in zwei Räumen zu sehen, die nur wenige Zentimeter voneinander getrennt sind, ohne es zu wissen.
    »Mila? Ich bin so weit.«
    »Vorsicht. Nicht aufmachen. Ich stehe direkt hinter der Tür und horche.«
    »Wirklich? Du horchst? Was hast du rausgekriegt?«
    »Gar nichts. Ehrenwort.«
    Simons Stimme klingt belustigt. Ich versuche mit den Händen zu ertasten, wo genau sich sein Körper auf der anderen Seite der Tür befindet. Ich bilde mir ein, dass sich die Tür überall dort erwärmt, wo er sie berührt.
    »Möchtest du nicht rauskommen?«
    »Gleich. Ich hab’s fast nicht mehr ausgehalten hier, aber jetzt bin ich auf einmal nervös.«
    »Warum bist du nervös?«
    »Weiß ich nicht. Weil es so lange gedauert hat.«
    Hier ungefähr muss seine Schulter sein. Hier sein Kopf. Ich glaube, er steht seitlich an die Tür gelehnt.
    »Es hat etwas länger gedauert, weil ich noch mal nach unten musste. Tut mir leid. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich hab mich auch nicht verkleidet, falls du das befürchtest. Komm, Mila.«
    »Du bist nicht verkleidet? Das beruhigt mich jetzt wirklich. Okay, ich komme.«
    Weil die Tür nach innen aufgeht, muss ich erst einen Schritt zurücktreten, damit ich sie ganz öffnen kann. Simon lächelt, als er mich sieht. Er nimmt mich an der Hand und macht das Licht hinter mir aus. Er zieht mich ins Zimmer hinein. Ich sehe, dass er das Bettzeug beiseitegeräumt und auf der Matratze ein großes tiefblaues Tuch ausgebreitet hat, so makellos glatt gestrichen, als hätte Frau Papic persönlich Hand angelegt. In seiner Mitte liegt eine Handvoll blasser Blüten. Ein Sternenmeer aus Teelichtern ist über den ganzen Raum verteilt.
    Auf dem Teppich vor dem Bett liegen zwei Meditationskissen.
    »Oh«, sage ich, weil ich schließlich was sagen muss, und Oh ist nicht mal gelogen, einfach nur Oh, das kann alles Mögliche bedeuten. Oh, schau mal, zwei

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