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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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ein erstaunlich klarer Kopf und eine fast frühlingshaft-heitere Aufbruchsstimmung, die mich aus dem Bett und in die Küche treibt. Ich höre die Zwölf-Uhr-Nachrichten im Radio, während ich auf das Kaffeewasser warte, blauer Himmel vor meinem Fenster, leuchtende Sonne, leck mich, Winter, du bist noch längst nicht dran. Ich bin bereit für die nächste Runde. Vielleicht ist es eine Art magischer Kinderglaube: Wenn ich endlich Simons richtigen Namen und seinen Wohnort kenne, dann bin ich frei, zumindest so frei, dass ich mich nur noch mit mir selbst und meinem eigenen Zeug befassen muss. Ich brauche die Gewissheit, dass es ihn gibt, nicht irgendwo da draußen, sondern genau da oder da oder da, ich stelle mir die Befriedigung vor, die mich unweigerlich erfüllen wird, sobald ich das weiß, und bestätige mir immer wieder, dass ich ein Anrecht darauf habe, dass es für meine geistige und emotionale Gesundheit nachgerade unverzichtbar ist, es zu wissen.
    Entsprechend motiviert bin ich, als ich die Nummer des Seminarhauses wähle. Ich lausche dem Rufzeichen und behalte dabei Simons Meditationskissen fest im Blick, das rot und golden vor meinem Bett liegt und aussieht, als könne es sich eigenständig bewegen, wenn ich gerade nicht hinsehe, und mich jederzeit wieder zu Fall bringen.
    »Hallo?«
    Erst jetzt fällt mir ein, dass heute Samstag ist und ich unverschämtes Glück habe, dass überhaupt jemand ans Telefon geht. Es muss ein Zeichen sein. Ich nenne meinen Namen und sage, dass ich am vergangenen Wochenende einen Kurs dort gemacht hätte, und ich bräuchte ganz dringend –
    »Du, sei mir nicht böse, aber ich hab nur ganz wenig Zeit. Könntest du Montag noch mal anrufen? Wir haben grad über sechzig Leute hier.« Es ist eindeutig ihre Stimme. Ich sehe sie vor mir, Die Silvia, blond, entschlossen, mitfühlend, hilfsbereit.
    »Geht ganz schnell«, sage ich. »Ich brauche nur die Adresse von einem anderen Teilnehmer aus meinem Kurs. Telefonnummer würde auch reichen.«
    Die Silvia klingt jetzt sehr streng. »Wir geben grundsätzlich keine Teilnehmeradressen weiter.«
    »Aber da lag doch eine Adressliste aus«, sage ich.
    »Das kann dann nur die Liste vom Gerald gewesen sein. Da stehen die Leute drauf, die damit einverstanden sind. Aber das sind die meisten. Du, hör mal ...«
    »Bitte, nur eine Sekunde. Weißt du, wie ich Gerald erreichen kann?«
    »Der ist hier. Gestern hat sein Schweigekurs angefangen. Neun Tage diesmal. Da telefoniert er aber nicht.« Sie sagt das ohne jeden Unterton von Häme, obwohl ich ihr ziemlich auf den Wecker gehen muss. Respekt. Sie buchstabiert mir sogar noch Geralds E-Mail-Adresse, und dann zerstört sie meine aufkeimende Hoffnung gleich mit dem nächsten Satz.
    »Aber der Gerald checkt seine Mails nicht, wenn er ein Schweigeseminar leitet, weißt du.«
    Mir ist klar, dass ich ihre Freundlichkeit im Übermaß strapaziert habe, also bedanke ich mich bei ihr und lege auf. Ich stelle mir vor, wie Die Silvia sich sofort wieder auf ihre Arbeit stürzt, die Einsatzliste für die neue Schweigegruppe. Wie viel Laub mag in der vergangenen Woche heruntergefallen sein, das jetzt hin und her geschoben werden kann? Sechzig Teilnehmer wollen beschäftigt werden, vielleicht muss Die Silvia sogar ein Team damit beauftragen, sämtliche Krokuszwiebeln wieder auszugraben, damit alle etwas zu tun haben im ewigen Kreislauf des Werdens und des Vergehens. Wenn ich mich nicht ein bisschen beeile, werden bald all meine Spuren getilgt sein, die ich hinterlassen habe.
    Fassen wir also zusammen: Ich habe meine Kopie der Adressliste einer kroatischen Reinigungskraft überlassen. Die Zuverlässigkeit meiner Erinnerungen an Simons Nachnamen ist mehr als zweifelhaft. Das Seminarhaus gibt keine Teilnehmerdaten weiter, und der Einzige, der das machen würde, wird für die kommenden acht Tage schweigen. Und die nächste Niederlage wartet schon, es reicht völlig aus, sie mir nur in Gedanken auszumalen.
    Guten Tag, hier ist Mila Edel.
    Sie wünschen bitte?
    Sind Sie der Herr von der Rezeption, der sich so sehr für die Probleme mittelständischer Unternehmen engagiert?
    Ja, der bin ich. Was kann ich für Sie tun?
    Ich war von Sonntag bis Mittwoch Gast in Ihrem Haus. Zimmer 23. Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich?
    Natürlich erinnere ich mich.
    Also, leider weiß ich den Nachnamen des Herrn nicht mehr, mit dem ich die drei Nächte dort verbracht habe. Ob Sie mir da wohl weiterhelfen könnten?
    Na klar, du kleine

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