Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
ich das wirklich. »Es geht ihm garantiert genauso wie mir. Er vermisst mich. Ich weiß das.«
»Na prima«, sagt Marek. Er setzt sich auf und trinkt sein Glas in einem Zug leer. »Jetzt musst du nur noch rauskriegen, wo er wohnt.«
»Als Erstes müsste ich rauskriegen, wie er heißt«, sage ich und erzähle von meiner vergeblichen Suche im Internet und den Anrufen im Seminarhaus und bei Lydia.
»Der will nicht gefunden werden«, sagt Helmut.
»Der hat Mila doch noch gar nicht gekannt, als er sich gegen einen Eintrag in die Teilnehmerliste entschieden hat«, sagt Marek. »Lauter blöde Zufälle sind das.«
Helmut hat seinen Kopf zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Marek sagt »Ich leg uns mal was auf« und geht rüber zur Musikanlage, wo er zwischen Helmuts Platten zu wühlen beginnt. Helmut sammelt Vinyl, das habe ich schon auf der Hochzeit mitgekriegt, er schwört auf den unverwechselbaren Sound und nimmt dafür gern in Kauf, alle zwanzig Minuten aufspringen zu müssen. Allein das Geräusch, wenn sich die Nadel auf die Rille senkt, hat er mir damals vorgeschwärmt, ob ich darauf schon mal geachtet hätte, es klänge wie »Fump«, und dann dieses zarte Geknister, nichts Erhabeneres gebe es beim Musikhören, und Starttaste anklicken sei was für iTunten. Ich kann hören, wie Marek eine Platte aus der Hülle zieht und auf den Teller legt, ich beobachte Helmuts Gesicht, und tatsächlich macht es »Fump«, bevor die Musik einsetzt, es ist ein sentimentales Saxofon, und Helmut öffnet seine Augen und sieht mich an.
»Darf ich dich mal was Indiskretes fragen, Mila?«
»Klar«, sage ich.
»Was willst du wirklich von diesem Mann?«
»Mila will nie was«, sagt Marek aus dem Hintergrund und dreht die Musik leiser.
»Ich will nie was?«, frage ich, und ich bin ehrlich erstaunt, dass er so was sagt.
»Nie«, sagt Marek und stellt sich hinter Helmut ans Sofa, und Helmut greift nach seiner Hand und legt sie sich an die Wange. »Mila hat immer schon dieses unglaublich clevere Konzept gehabt. Lieber erst gar nicht was wollen, das reduziert die Fallhöhe. Man kann nicht scheitern, wenn man nichts will.«
Mich erinnert dieses Konzept eher an Geralds Zitat als an mich selbst, aber ich kenne Mareks Einstellung zu meiner Weigerung, Karriere als Künstlerin zu machen, mein Geld zu vermehren oder wenigstens beim Nichtstun gut auszusehen, darum widerspreche ich ihm nicht und beantworte lieber Helmuts Frage.
»Ich will wissen, wie Simon richtig heißt und wo er wohnt. Ob es dann genug ist oder ob ich ihn tatsächlich noch anrufen will, weiß ich nicht.«
»Sag ich doch«, ruft Marek und setzt sich auf die Sofalehne. »Sie mauert. Bloß kein Risiko eingehen und womöglich auf die Schnauze fallen.«
»Blödmann«, sage ich zu ihm, und zu Helmut: »Du musst jetzt was Nettes oder Aufbauendes zu mir sagen, falls ihr guter Cop – böser Cop spielt.«
»Mach ich«, sagt Helmut. »Also, was willst du, Mila? Willst du ein bisschen Liebeskummer haben und rumheulen, willst du mit Würde und Anstand das Ende akzeptieren, oder willst du die Ehe von deinem Simon mal ordentlich aufmischen?«
»War das jetzt nicht mein Part?«, fragt Marek.
»Nein, Schwestern müssen immer zusammenhalten«, sagt Helmut, und wir drei brechen in Gelächter aus, aber Helmuts Fragen lassen sich nicht einfach weglachen. Ist es das, was mich treibt? Verfolge ich einen Plan mit mehreren heimlichen Zündstufen, erst die Adresse, dann den Kontakt, und wenn’s gut läuft, am Ende den Mann?
»Warte, jetzt kommt noch was Nettes«, sagt Helmut. »Jeder Hetero-Mann, der dich an seiner Seite hat, sollte sich glücklich schätzen. Aber bislang hört sich das für mich so an, als wolltest du nur mal kurz Buh! machen und dann schnell wieder abtauchen, und mit solchen Sachen spielt man nicht rum, wenn einer verheiratet ist.«
»Go, Mila, go«, sagt Marek und geht ganz in seiner neuen Rolle auf.
»Okay, hier kommt die schmutzige Wahrheit«, sage ich. »Ich will eine Chance, wenigstens eine noch. Ich will, dass es irgendwie weitergeht mit uns. Dass er es sich noch mal anders überlegt.«
»Weil du glaubst ...«, insistiert Helmut.
»Weil ich glaube, dass wir eine falsche Entscheidung getroffen haben.«
»Weil du glaubst, dass du die richtige Frau für ihn bist?«, fragt Helmut.
»Weil ich Mila bin«, sage ich.
Helmut sieht mich an, als würde er diese Antwort gern in ihre Bestandteile zerlegen, überlegt es sich dann aber anders und steht auf, um die Platte
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