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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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gibt’s keine Einwanderer aus Jersey? Glaubst du, die wissen nicht, was der armen alten Lesbe aus dem Smile Shop passiert ist?«
    Julie betrachtete die bösen Flaschen. Bud, bud, bud, bud, bud. »Das ist noch nicht alles. Dein Vater ist auch tot.«
    »Mein Vater? Tot?«
    »Traf ihn in der Hölle.«
    »Tot? Tot? Du Scheißkopf! Und deswegen piesackst du mich die ganze Zeit? Deswegen? ›Wow, Phoebe, rat mal, du bist ’ne gottverdammte Waise?‹«
    Julies S-förmige Narbe schwoll an. Was brachte sie nur dazu, ein sadistischer Trieb, der niederträchtige Wunsch, den Schmerz ihrer Freundin zu maximieren? Nein, schließlich würde Phoebe auch von dieser Nachricht profitieren, wenn sie mit einer barmherzigen Lüge verbrämt war. »Hör zu, dein Vater will Rache. Wirklich. ›Sag Phoebe, sie soll den Bastard umlegen‹ – seine letzten Worte an mich.«
    »Rache? Huh? Welchen Bastard?« Phoebe blies das Streichholz aus.
    »Dein Vater kam zu Tode, als Billy Milk das Preservations-Institut sprengte.«
    Phoebe zündete wieder ein Streichholz an. »Milk? Ich kann Milk nicht umbringen. Er ist der große Scheißoberbonzen-Pastor.« Die Flamme kletterte am Streichholz hinab, erlosch am Daumen. Sie zog den Rock etwas zurück, und die Schachtel verschwand in den Falten.
    »Du kannst Milk umbringen.«
    »Ich kann sogar mich selber umbringen. Vielleicht jetzt.« Phoebe zündete ein drittes Streichholz an, hielt die Flamme zwischen ihre dunklen Schenkel.
    »He, du verbrennst dich!«
    Ein scharfes Kobrazischen – kam aber nicht von Phoebe. Kam von weiter unten, wo das Streichholz war.
    Julie stürzte auf sie zu.
    Und plötzlich sah sie es. Jesus Christus. Jesus Christus in der Hölle! Sie schloß ihre Finger um den furchtbaren Stab, ›Der Himmel hilft‹ fiel ihr ein – wie sie den Mutlosen immer geraten hatte, es richtig zu machen und sich an die National Hemlock Society zu wenden, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sahen. Hatte Phoebe das gelesen? Gewisse Medikamente wirkten schnell und sicher. Ein Plastiksack, am Hals zugebunden, tat es auch. Aber doch nicht das hier. O Gott, doch nicht das!
    Bix kam noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Julie die Dynamitstange aus Phoebes Vagina zog. Ja, überlaß es nur Phoebe, seinen Horizont zu erweitern – die Wracks in der Sperrholzstadt konnten ihm nichts auch nur annähernd so Barockes bieten. »Nein!« brüllte er.
    Sie mußte nur die fauchende Zündschnur zu fassen kriegen, der Schmerz machte nichts aus…
    Keine Zündschnur mehr. »Christus!!«
    Sie lief ans offene Fenster. Ein schneller Sprung wie früher auf dem Spielfeld und…
    Donnerschlag, ein blendender Blitz peitschte gegen ihren ausgestreckten Arm, zerlegte das Fenster. Stoßwelle aus pulverisiertem Holz und zersplittertem Glas.
    Sie schaute auf Phoebe. Auf Bix. Auf den Teddybär. Den Kreis brauner Flaschen. Dann, bevor noch Schwindel, Blutspritzen, unsagbarer Schmerz einsetzte, sah Julie in einem Augenblick leuchtender stroboskopischer Klarheit, daß sie keine rechte Hand mehr hatte.

 
15. Kapitel
     
    Aus den Wolken betrachtet sah das neue, von einem frommen und schriftgläubigen Architekten entworfene New Seraph of Mercy-Spital an der City Avenue aus wie ein Engel. Die ovale Zufahrt schwebte wie ein Heiligenschein über dem Verwaltungsgebäude. Die Entbindungsstation bildete den Mitteltrakt, die beiden Seitentrakte liefen leicht schräg vom Mittelteil weg, bogen dann scharf ab und umschlossen auf jeder Seite ruhige, grüne Parkanlagen; die Engelsflügel.
    Julie Katz und Phoebe Sparks waren in den einander gegenüberliegenden Schwingen gelandet – in der Amputationsabteilung bzw. der Alkoholikerklinik. Die Kommunikation verlief über Ansichtskarten aus dem Geschenkshop der Klinik.
    »Liebe Sheila, es tut mir leid«, kritzelte Phoebe unter den grauenhaften Farbdruck von Corregios ›Himmelfahrt der Jungfrau‹. »Es tut mir so verdammt leid.«
    »Sollte es auch«, antwortete Julie unter einer Reproduktion von Piero della Francescas ›Auffindung und Prüfung des wahren Kreuzes‹. Sie schrieb mit der Linken; unleserliche, chaotische Kinderschrift.
    »Liebe Sheila, sag ihnen, sie sollen mir die Hand abschneiden und bei dir annähen«, schrieb Phoebe neben Dürers ›Die vier Reiter der Apokalypse‹.
    »Dafür ist es zu spät«, antwortete Julie neben Signorellis ›Höllenfahrt der Verdammten‹.
    »Liebe Sheila, sie haben hier viermal am Tag A.A.-Treffen. Ich geh jeden Nachmittag hin.«
    »Geh alle viermal hin.«
    »Bix

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