Die eingeborene Tochter
exklusiven Schweden – zu Fuß erreichbar – und einem Juden in der Innenstadt entscheiden. Ein Mädchen würde Rita heißen. Ein Junge: Murray, Murray Constantine Katz. Sie wanderte rüber zur Kreuzung 40. und Market und nahm den Bus in die Stadt.
Die Praxis des Dr. Hyman Lefkowitz war der fruchtbarste Ort, den Julie je gesehen hatte. Im Vorraum Fotos von sabbernden, zahnlosen Kleinkindern, im Warteraum ein Haufen alter Ausgaben von Parents. Werdende Mütter, dick und unbeholfen, kamen und gingen. Sie waren alle erstaunlich schön, fruchtbare Madonnen, erschöpfte Aphroditen.
Die Schwester nahm ein Dutzend Sonogramme von Julies inneren Organen auf. Phoebe hätte mitkommen sollen, dachte Julie. Sie stellte sich vor, wie ihre Freundin die Technologie weiterspann: Weißt du, was wir hier haben, Katz, eine neue Art des Obszönen, Pornographie des Körperinneren!
»Ich will ganz offen sein«, sagte Dr. Lefkowitz im Büro.
Er hielt ein Sonogramm hoch. Angst schwappte wie kalte Hühnersuppe in Julies Magen.
Sie sagte: »Oh?«
»Keine guten Neuigkeiten.«
»Keine guten…?« Gebärmutterkrebs. Das mußte es sein. Pornographie des Körperinneren. Wortwörtlich.
»Ihre Ovarien…«
»Was?«
»Sie haben keine.« Hinter den dicken Brillengläsern sah der Doktor aus wie Peter Lorre. »Überhaupt keine.«
»Ich hab keine…? Was meinen Sie damit, ich hab keine? Jede Frau hat Ovarien.«
»Sie nicht. Als ob sie jemand« – Lefkowitz’ Brillenaugen kamen ihr wie Scheinwerfer vor – »gestohlen hätte.«
Und Julie dachte: Ein Vogel. Ein leuchtender Vogel, einen Olivenzweig im Schnabel, aus seinem Nest unter ihrem Herzen herausgerissen. Ein Olivenzweig – oder so was Ähnliches; nur eine verschwommene Vorstellung. Damals, als Wyvern ihr die Göttlichkeit genommen hatte.
Kein Olivenzweig. Nie und nimmer. Etwas anderes. Zwei feuchte, fleischige Stiele, die Eileiter von Gottes eingeborener Tochter. Wyvern… Satan… das inkarnierte Böse… fleischgewordene Täuschung.
Julie flehte: »Können Sie etwas tun?« Auf Lefkowitz’ Schreibtisch ein goldgerahmtes Foto. Der Doktor. Seine dralle Frau. Drei vollkommene, strahlende Kinder: Junge, Mädchen, Baby. Sie haßte sie alle, speziell die Kinder und ganz besonders das Baby, dessen selbstgefällige, freche Präsenz. »Können Sie nichts transplantieren?«
»Tut mir leid.«
»Das ist doch die vielgerühmte Zukunft, oder nicht?
Wir leben doch im Jahr 20.12? Ich will eine Organtransplantation.«
Lefkowitz lächelte versonnen. »Die Wissenschaft hat auch nicht alle Antworten.«
Sie dachte: Soll wohl heißen, wir haben nicht die ganze Wissenschaft, du Arschloch.
Der Heimweg durch die Stadt war eine Folter. Schwangere Frauen folgten ihr wie KGB-Maulwürfe. Im 32er Bus höhnische Anzeigen für Kindertagesstätten und Gebärkliniken. In der Nähe der Sundance-Schwesternschule stieg sie aus. Die tapsigen Zweijährigen in den Sandkästen: Zwerge, die sie grausam verspotteten; überall zwitscherten Vögel, eine Million kleine Vogelscheißefabriken. In 3411 Baring Street angekommen, schleppte sie ihren sterilen Körper über die Stufen hinauf und taumelte ins Wohnzimmer. Du wirst nun ein erfülltes Leben haben, hatte ihr der bösartige Engel versprochen, die Kreatur, die das Patent auf alle Lügen der Welt hatte.
Ein Schrei. Ein Schrei wie ein wahnsinniger, schriller Geigenton.
Ein Phoebe-Schrei. Typ eins: Verzweiflung.
Julie rannte. Nein, lieber Gott, nein, Mutter, warte, ich hab heute schon erfahren, daß ich unfruchtbar bin. Nicht auch noch, daß Phoebe grade abstürzt!
Schlimm. Das Fenster offen, aber massiver Malzgeruch in der Luft, als ob Phoebe die Wände mit Bier gewaschen hätte. Auf dem Frisiertischchen fünf leere Budweiser-Flaschen rund um H. Rap Brown Bear aufgebaut. Phoebe in den Lehnstuhl geflegelt. Verputzte grad die sechste. Sie war, wie üblich, gut angezogen: saubere weiße Bluse, Madras-Rock nach Art der Powelton Village-Zigeunerinnen. Halb offene Streichholzschachtel auf ihrem Schoß.
Julie fühlte sich betrogen. Genau wie damals, als Bix sie aus seiner Kanalhöhle gejagt hatte. »Phoebe, wie konntest du nur, wie konntest du das tun?«
Phoebe beruhigte sich mit einem Schluck Budweiser. »Tot«, sagte sie. Träge, verwaschene Stimme, die Augen klein und stumpf wie Perlzwiebeln.
»Wie konntest du das tun?«
»Sie ist tot, oder?« Phoebe zündete ein Streichholz an, stöhnte und kicherte durcheinander. »Glaubst du vielleicht, in der Sperrholzstadt
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