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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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GESPRENGT‹ hieß die Schlagzeile. »Was? Gesprengt?« Galle stieg dir in die Kehle. »Du glaubst, die wollten…«
    »Vielleicht nur ein zufälliges Zusammentreffen.«
    »Wer will mich umbringen?«
    »Niemand. Alles, was ich sagen will, ist: wir können nicht vorsichtig genug sein. Wenn Gott will, daß du dich offenbarst, soll sie gefälligst rauskommen und es sagen.«
    Jahre her, damals in der achten Klasse – seit jener Zeit hast du deine Göttlichkeit, diesen inneren Drang zur Einmischung unter Kontrolle.
    Baby-Bank gesprengt. Zerbombt. In die Luft gesprengt wie Burg Boadicea.
    Du schwelgst in der Erinnerung an das eine erlaubte Wunder, nimmst einen tiefen Zug Sauerstoff aus der Bucht. Als Kiemenatmer wirst du nie den großen, wunderbaren Atemzug eines Perlentauchers beim Auftauchen erleben, aber alles andere, was Fleisch und Bein nur immer bieten, wirst du kennenlernen. Wenn dein katholischer Freund recht hat, vertritt Gott eine karge, unzweideutige Ethik: Körper schlecht, Seele gut; Fleisch falsch, Geist wahrhaftig. So wurdest du aus purem Trotz Liebhaberin fleischlicher Genüsse; weltverhaftete Frau. Nicht Hedonistin wie Phoebe, sondern Epicuräerin: Es ist immer Huldigung an den Körper, wenn du Pepperoni-Pizza verschlingst, Cola Light trinkst, Roger Worth erlaubst, seine Zunge in deinen Mund zu schieben, und wenn du beim Basketball für die Brigantine High Tigerettes den salzigen Geschmack des eigenen Schweißes genießt. Da hast du’s, Mutter. So ist das nämlich, Mutter.
    Fleisch ist die beste Rache.
    Als du in die Höhle hineinschwimmst, driftet eine kleine Blutwolke zwischen deinen Schenkeln davon; schnell wird die Blutung durch den Wasserdruck gestillt. Der Körper, in dem Gott dich ausgesetzt hat, ist ein reales Etwas, alles funktioniert perfekt; das mußt du zugeben.
    Der Kuscheltierzoo ist zerstört.
    Seestern, Flunder, Krabbe, Hummer – alle weg. Nur Amanda, der Schwamm, ist noch da. Sie sitzt wie ein melancholischer Bimsstein in einem Haufen Seegras. Aus Mr. Parkers Biologieunterricht weißt du, daß sie zu Microciona prolifera gehört, einer Art, die in allen Meeresbuchten entlang der nordamerikanischen Küste vorkommt.
    - Warum sind alle weg? fragst du.
    - Tot, antwortet Amanda.
    Krankheit, Alter, Umweltverschmutzung. Ich allein hab überlebt. Unsterblichkeit – darin liegt mein ganzer Ruhm. Hack mich in Stücke, und jedes Teil wird sich regenerieren.
    - Ich bin vielleicht auch unsterblich.
    - So schaust du nicht aus, Julie.
    - Gott will, daß ich für immer lebe.
    - Vielleicht.
    - Sie will es wirklich.
    - Kann sein.
    Mit den Fersen pflügst du durch den sandigen Boden, stellst Steine hochkant, drehst Muschelschalen um… Da, neben deiner Ferse das Skelett. Du hast es entdeckt, als du zehn warst. Mit scharfem Karateschlag köpfst du das Skelett, Wirbelstürme aus Sand treiben nach oben. Du drückst den Schädel an die Brust und treibst durch das gefilterte Sonnenlicht hinauf. Du liebst deinen Körper, wenn er auch eher rundlich ist; liebst deine karamelfarbene Haut, das volle Haar, die leicht asymmetrischen Brüste, die schlagenden Kiemen. Zu schade, Mutter! Eine Blutwolke umgibt dich wie eine Aura. Du sagst Amanda Lebewohl, stößt dich ab vom Grund der Bucht und steigst durch hundert Fuß Salzwasser nach oben.
     
    Klares Wasser strömte aus dem Duschkopf und schwemmte den Schweiß weg. Aber nicht die Erniedrigung. Julie hatte gut gespielt, ihre Freiwürfe alle verwandelt, konnte für sich 15 Punkte, 6 Rebounds und siebenmal Zuspiel verbuchen. Sie hatte viermal den Ball bekommen. Genützt hatte es nichts. Die Lucky Dogs von der Atlantic City High hatten die Brigantine Tigerettes 69 zu 51 überfahren.
    Sie schaltete das Wasser ab und kroch aus der Dusche. Die unglücklichste Spielmacherin der Liga.
    Unheimliches Schweigen lastete über dem Umkleideraum. An der Brigantine High wurden Niederlagen nicht diskutiert. Sie trocknete sich ab, wiederholte im stillen, was sie zu Phoebe sagen würde. »Ja, natürlich kann ich jederzeit Punkte machen, den verdammten Ball direkt von der Mitte ins Netz schmeißen, wenn ich will. Sag mir bloß nicht, wie ich mein Leben führen soll, Sparks.«
    »Ich sag dir nicht, wie du dein Leben führen sollst«, betonte Phoebe am nächsten Tag. »Ich sag doch nur, daß du Weitwurfspezialistin bist – du müßtest es physisch gar nicht erst werden –, und niemand würde irgendwas Übernatürliches dabei vermuten.« Sie drängten sich durch die lärmende Cafeteria

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