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Die Eingeschworenen Raubzug

Die Eingeschworenen Raubzug

Titel: Die Eingeschworenen Raubzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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Rus?«
    »Das war königliches Benehmen«, brummte Einar. »Wenn man eine Sklavin als Mutter hat, braucht man davon eine Extraportion, um zu überleben.« Dann wuchtete er sich keuchend ein Fass auf die Schulter. »Zurück an die Arbeit, ihr Nichtsnutze.«
    Als wir wieder unsere Kette gebildet hatten und uns Fässer und Säcke zureichten, fragte jemand mürrisch: »Und was ist Biela Viezha?«
    Es war die »weiße Burg«, der slawische Name für Sarkel, wie die Chasaren ihre Festung nannten. Sie bestand aus weißem Kalkstein und lag auf einem kahlen Berg in einer Schleife des Don, fast schon am Schwarzen Meer. Und sie war in den Augen der Rus die größte Schmach, die man ihnen antun konnte, denn sie mussten für jedes Frachtschiff, das zum Schwarzen Meer ging oder von dort kam, um Passiererlaubnis ersuchen und zehn Prozent des Warenwertes als Zoll entrichten.
    Wir waren gemütlich den Don hinuntergefahren, gestakt von brüllenden und schwitzenden tschudischen Flussschiffern. Wir trieben unseren Spott mit den Reitertrupps, die am nördlichen Ufer neben uns herritten oder zuweilen auch neben ihren Pferden zu Fuß gehen mussten, denn sie schwitzten, während bei uns auf dem Fluss immer eine angenehme Brise wehte.
    Sie hatten schwerere Pferde. Die leichteren, die dickköpfigen, kurzbeinigen, zotteligen Ponys, die wie große Hunde aussahen und von den Bogenschützen geritten wurden, waren weiter draußen in der Steppe, wo sie wie die
Stare ausschwärmten und sich immer wieder neu formierten, um die chasarischen Späher auf Abstand zu halten.
    Ob irgendwo gekämpft wurde, weiß ich nicht, wir hörten jedenfalls nichts davon. Wir verbrachten fast die gesamte Zeit mit Würfeln und Faulenzen, tauschten uns über Finten im Kampf aus und bewarfen zwischendurch die unglücklichen, schwitzenden Reiter mit Brotrinden und Apfelgehäusen, was sie ungerührt über sich ergehen ließen.
    Als wir schließlich die weiße Burg sahen, wurde uns allerdings klar, warum sie so ruhig geblieben waren. Die Festung war in der Tat blendend weiß, die Mauern mächtig, mit vier Türmen und zwei Toren und einem überaus breiten Burggraben. Ich hatte immer gehört, dass die Chasaren in Zeltstädten und windschiefen Hütten lebten, die leicht zu zerstören und ebenso leicht wieder aufzubauen waren. Selbst ihre Paläste, so hatte es geheißen, seien nur aus Lehmziegeln und sie wohnten ohnehin nur im Winter darin.
    Doch dies alles traf auf Sarkel nicht zu. Es wird niemanden überraschen, dass die Große Stadt am Bau der Festung beteiligt war, stets darum bemüht, das Kräftegleichgewicht in dieser Gegend aufrechtzuerhalten. Sarkel war durch und durch römische Baukunst. Und jetzt schickten die Römer ihre klügsten Leute und ihre mächtigsten Belagerungsmaschinen, um die Festung zu zerstören. Das war durch und durch römische Regierungskunst.
    Als unser Schiff anlegte, kam einer der Reiter zu uns herübergetrabt. Er nahm seinen Helm ab und wir sahen ein fröhliches, verschwitztes Gesicht mit einem großen, buschigen Schnurrbart. »Willkommen, Schwertbrüder«, lachte er und machte eine Handbewegung in Richtung
der riesigen Festungsanlage, die vor uns in der Steppe lag. »Ich hoffe, ihr habt euch gut erholt. Denn jetzt seid ihr dran.«
    Wir sahen einander an, dann wieder die weißen Mauern, auf die wir uns stürzen würden, und als er davontrabte, lachte niemand mehr, außer ihm und seinen Gefährten.
    Doch es sollte noch etwas dauern, ehe er uns leiden sah. Wir verbrachten die ersten Tage damit, die Schiffe zu entladen. Zwei Wochen dauerte es, bis Sarkel komplett von der Außenwelt abgeschnitten war, und die Zimmerleute begannen, mit den Bauteilen, die sie mitgebracht hatten, ihre Belagerungsmaschinen zu errichten. Speerkämpfer — die nicht Teil der Druschina waren — sowie Tausende unbewehrter Söldner, die von allen Stämmen aus allen Teilen des Umlandes eingezogen worden waren, stapelten ihre Waffen, schaufelten Gruben und bauten erhöhte Plattformen.
    Fasziniert sahen wir zu, wie drei der riesigen Katapulte zum ersten Mal ihre Felsbrocken, jeder so groß wie ein Schaf, über die Ebene und gegen die Mauern schleuderten, um die richtige Entfernung zu ermitteln. Sie trafen mit Donnergetöse – aber sonst passierte nicht viel. Die Mauern schienen nicht einmal Risse aufzuweisen, geschweige denn dass sie sofort einstürzten, wie viele von uns wohl insgeheim erwartet hatten. Enttäuscht wandten wir uns wieder unserer stinkenden, schweißtreibenden

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