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Die Eingeschworenen Raubzug

Die Eingeschworenen Raubzug

Titel: Die Eingeschworenen Raubzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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kümmerte sich um das, was mir fehlte.«
    Ich konnte mich kaum rühren, konnte kaum atmen, stocksteif stand ich da. Mein Mund war so trocken, dass ich nicht sprechen konnte.
    »Jetzt kann er es nicht mehr und deshalb schickt er dich«, fuhr sie fort und zog mich zu sich herunter, bis ich auf ihr lag.
    »Komm, ich werde dir beibringen, was du lernen sollst.«
    »Freydis war eine gute Frau«, unterbrach mein Vater meine Gedanken mit leicht verschleiertem Blick. »Gudleif schwor, dass sie ihn behext hatte, weil es ihn jedes Jahr wieder zu ihr zog, und er blieb, bis er kaum mehr aufs Pferd kam, um bergab zu reiten. Wenn Halldis etwas davon gewusst haben sollte, so hat sie geschwiegen. Sie war gesund wie die gute Erde, unsere Freydis … aber einsam. Das Einzige, was ihr fehlte, war ein guter Mann.«
    Ich sah ihn an und er grinste. »Ja, ja, ich auch. Und Gunnar wahrscheinlich auch. Wenn es überhaupt einen Mann gab, der dieses Feld nicht gepflügt hat, dann lebte er vielleicht im übernächsten Tal und war zu lahm für den weiten Weg.«
    Ich schwieg. Ich wollte ihm von Freydis erzählen und von ihrem Zauber und wie sie den Bären mit einem Speer getötet hatte, während ich gerannt war … Wieder dieses Bild: ihr Kopf, der durch den Raum flog und einen Bogen großer Blutstropfen hinter sich herzog. Hatte sie gelächelt?

    Als ich den Bären endlich auf allen vieren kriechend erreicht hatte, war er schon tot. Der Zusammenprall mit dem Baum hatte das abgebrochene Ende des Speers so tief in seinen Schädel getrieben, dass es oben herausragte. Der Bär war auf dem steilen Hang über seine eigenen Pfoten gestolpert und hatte sich überschlagen. Selbst jetzt noch war er ein riesiger weißer Berg, der einem Angst einjagte, auch wenn er still dalag. Wie betäubt stellte ich fest, dass das Fell unter seinem Kinn ganz weich und fast schneeweiß war. Eine der großen Pranken, so groß wie mein Kopf, zuckte noch.
    Benommen setzte ich mich hin. Freydis Zauber hatte gewirkt. Vielleicht war ihr eigener Tod der Preis dafür gewesen, und vielleicht hatte sie es gewusst. Dann heulte ich los, aus mehr als einem Grund. Ich heulte um sie. Und weil mir bewusst wurde, wie sehr ich mich gefürchtet hatte. Und auch um meinen Vater und um Gudleif und wohl auch um mich.
    Schließlich fing ich so stark an zu zittern, dass ich nicht einmal mehr weinen konnte. Ich saß halb nackt in der Kälte und musste zurück ins Haus. Ins Haus und zu Freydis. Eigentlich wollte ich aber gar nicht dorthin zurück, denn da drinnen wartete vielleicht ihr Geist, um mich zu verfolgen. Doch hier draußen würde ich erfrieren.
    Der Bär bewegte sich und ich raffte mich auf und lief ein Stück weiter weg. War es ein letztes Zucken? Ich hatte gesehen, wie es bei Schafen war, wenn man ihnen die Kehle durchschnitt. Doch ich traute diesem Bären nicht. Ich dachte an Freydis und an die Angst, die ich gehabt hatte, dann holte ich tief Luft, ging hin und stieß Bjarnis Schwert da hinein, wo ich sein Herz vermutete, tief hinein in diesen weißen Berg.

    Es war ein gutes Schwert und ich war stark, und die Angst hatte mich noch stärker gemacht. Es drang so leicht ein, dass ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte und auf das stinkende, nasse Fell gefallen wäre. Es spritzte auch kein Blut auf, nur ein paar große Tropfen, die langsam aus der Wunde quollen. Das Schwert steckte fast bis zum Heft in seiner Brust und ich konnte es nicht herausziehen.
    Ich konnte mein Zittern nicht mehr unterbinden. Schließlich schleppte ich mich den Abhang hinauf und in das eingestürzte Haus, dort wickelte ich mich in Freydis’ Umhang und wartete. Dann verlor ich in der Kälte das Bewusstsein und lag dort, bis Großnase und Steinthor mich fanden.
    Die Erinnerung war schon schlimm genug. Doch jetzt überfiel mich eine neue Schreckensvorstellung: Ich sah mich, wie ich – einem kleinen Bären gleich – eine andere Freydis von innen mit den Klauen bearbeite und mich schließlich in blutigem Triumph zwischen ihren Beinen hinausdränge. Ich sah das Gesicht der Frau nicht, aber es musste meine Mutter sein.
    Ich schüttelte den Kopf und war dem Weinen nahe. Mein Vater, der mich beobachtet hatte, nahm wortlos meinen Arm. Aber ich wollte allein sein und wandte mich von ihm ab.
    Einsamer denn je ging ich durchs Lager, wo die Männer plauderten und handelten und allen möglichen Beschäftigungen nachgingen, hinaus bis zu den Bäumen, um Farnkraut zu holen. Ich wusste, dass mein Vater mir mit seinem

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