Die Eingeschworenen Raubzug
sagte er. »Wir müssen ins Landesinnere. Einar wird nachher alles erklären, aber du machst dich jetzt besser fertig.«
»Strathclyde«, murmelte Storchenbein, der sich an uns vorbeidrängte. »Kein guter Ort für einen Raubzug.«
Das Landen empfand ich fast als Enttäuschung. Mit dem Schwert in der einen Hand, einen geborgten Schild in der anderen – er gehörte Illugi Godi und trug ein Bild von Odins Raben –, stand ich im Schiffsrumpf der Fjord Elk, während sie lautlos in die Bucht glitt. Der Kiesstrand erstreckte sich bis zu einem Waldrand, dahinter stieg das Land an und man sah Hügel, bedeckt mit rotem Farnkraut und verkrüppelten Bäumen. Im ersten Moment
hielt ich die vereinzelt herumliegenden Felsbrocken für Schafe, und ich war froh, dass ich es nicht laut gesagt hatte.
Da sich ringsum nichts regte, waren alle guter Dinge, bis auf Valgard Skafhogg, denn als der Kiel über den Kies knirschte, brüllte er meinen Vater an, ob er wolle, dass sie leckschlügen. Mein Vater rief zurück, wenn Valgard als Schiffbauer etwas taugte, würden ein paar Steine unterm Kiel dem Schiff schon nichts anhaben, aber Valgard könne schließlich nicht mal seinen eigenen Bart scheren. Was sich auf seinen Beinamen bezog, denn »Skafhogg« bedeutete so viel wie »Scherer«.
Die Stimmung war fast heiter, als wir durchs Wasser an Land wateten, und bei dem Geruch von trockenem Farnkraut und Gras kamen mir fast die Tränen.
Es war bitterkalt und man konnte den Schnee in der Luft riechen. Das Segel wurde an Land gezerrt und über ein Gerüst gebreitet, nicht als Schutzdach, denn es war ja triefend nass, sondern um es zu trocknen, so weit das möglich war. Dann wollten wir es zurück an Bord bringen, denn wenn wir später hierher zurückkämen, würde es eine schnelle Abreise werden.
Die Wächter bezogen ihre Posten und wir zündeten Feuer an, um uns zu wärmen und unsere Kleider zu trocknen. Ich band das Schaf an, damit es in dem gefrorenen Gras und dem braunen Farnkraut nach Futter suchen konnte.
Doch ihm blieb nicht viel Zeit, sich darüber zu freuen, und fast war ich traurig, als es wenig später am Baum hing, ausgeweidet wurde und schließlich am Spieß brutzelte. Es hatte die lange, mühevolle Reise gemacht, nur um als Heldenmahl zu enden, ehe die Eingeschworenen
sich in den Kampf begaben – wahrlich ein trauriges Los.
Ich wunderte mich über die Feuer, denn das Holz war nass und rauchte und man konnte es meilenweit sehen, aber das schien Einar nichts auszumachen. Jetzt, wo wir so nahe am Ziel waren, dachte er wohl, Wärme und ein voller Bauch seien das Risiko, entdeckt zu werden, wert.
Mein Vater, der jetzt Zeit hatte, da seine Arbeit getan war, kam zu mir. Ich saß fröstelnd am Feuer und wollte meinen trocknenden Umhang nicht anlegen, ehe meine anderen Kleider ebenfalls etwas getrocknet waren.
»Du brauchst Kleider zum Wechseln. Vielleicht werden wir bald etwas mehr für dich haben.«
Ich sah ihn missmutig an. »Ach, bist du ein Seher? Dann kannst du uns vielleicht auch sagen, wohin unser Raubzug geht?«
Er zuckte die Schultern. »Irgendwo ins Landesinnere.« Er strich nachdenklich über sein stoppeliges Kinn, als er hinzufügte: »Es ist in Strathclyde nicht mehr so einfach wie früher, erst recht im Landesinnern. Aber Brondolf zahlt gutes Silber dafür, also machen wir’s.«
»Brondolf?«, fragte ich, während ich ihm zur Hand ging, als er aus Weidenruten und unseren Umhängen ein Zelt baute.
»Brondolf Lambisson, der reichste Händler in Birka. Dieses Jahr hat er die Eingeschworenen von Einar dem Schwarzen gedungen. Ach, und letztes Jahr bereits auch, beinahe hätte ich’s vergessen.«
»Gedungen, wozu?«
Mein Vater verknotete die Ecken der Umhänge, dann hauchte er in seine Finger, um sie zu wärmen. Der Himmel wurde zusehends düsterer und bald würde es noch
kälter sein. Doch die Feuer loderten hell und waren ein großer Trost in der zunehmenden Dunkelheit.
»Er ist der Anführer aller Händler in Birka. Die Stadt war einst ein großes Handelszentrum, aber sie verliert an Bedeutung. Das Silber wird weniger, und der Hafen versandet langsam. Brondolf glaubt aber, er habe eine Lösung gefunden. Er und sein zahmer Christengodi, Martin von Hammaburg. Die beiden schicken uns los, um die merkwürdigsten Sachen zu beschaffen.« Er unterbrach sich, denn ihm war etwas eingefallen, worüber er zwar leise lachte, doch wie allen Nordmännern war ihm der Gedanke unheimlich. »Wer weiß, was er vorhat? Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher