Die Eingeschworenen Raubzug
Blick folgte und ich merkte, dass er mir genauso fremd war wie alle anderen.
Ich fragte mich, ob er selbst seinem Bruder den Kopf
abgeschlagen hatte oder ob Einar es getan hatte. Wie muss es sich anfühlen, wenn man seinen Bruder umbringt? Oder ihn sterben sieht?
Schließlich waren sie gewöhnliche Menschen, diese Eingeschworenen. Hart wie ein Wetzstein, kalt wie das wilde Meer, aber dennoch Menschen.
Die meisten von ihnen hatten Frau und Kinder – in Gotland oder noch weiter östlich – und kehrten von Zeit zu Zeit zu ihnen zurück. Storchenbein hatte eine Frau und zwei kleine Kinder und schickte ihnen Geld durch Händler, denen er vertrauen konnte. Skapti Halbtroll hatte mehrere Frauen an mehreren Orten, aber er gab all sein Geld für feine Kleider aus. Ketil Krähe war ein Geächteter, geflohen von irgendwo in Norwegen und hatte keine andere Familie als die Eingeschworenen.
Es gab noch andere, darunter nicht wenige Einzelgänger. Zum Beispiel Sigtrygg, der sich Valknut nannte und dieses Symbol auch im Schild trug, drei ineinander verschlungene Dreiecke, die für die gefallenen Krieger stehen. Das bedeutete, dass er seine Seele Odin geweiht hatte und auf dessen Geheiß sterben würde, und in seiner Gegenwart wurden selbst die Großmäuler leiser.
Einar selbst war ein Rätsel, doch die meisten vermuteten, dass auch er ein Geächteter war. Es war einer von Storchenbeins Witzen, dass unser Jarl, der meist mit düsterer Miene und grüblerisch unter seiner krähenschwarzen Haarmähne dasaß, wegen seiner überschäumenden Fröhlichkeit aus Island verbannt worden sei. Storchenbein war der Einzige, der es wagte, über Einar Witze zu machen.
Später, als wir satt waren und die Gespräche ins Stocken gerieten, nahmen die Männer sich ihre Waffen vor
und reinigten sie gründlich, bis sie glänzten wie am ersten Tag. Einar stand beim größten Feuer und die Männer scharten sich im Halbkreis um ihn, vor sich die dunkle See, die zischend über den Kiesstrand wusch. Hinter uns wälzte sich lautlos ein feuchter Nebel den Berg hinunter.
»Morgen gehen wir ins Landesinnere«, sagte Einar, wobei seine dunklen Augen von einem zum anderen wanderten. »Storchenbein, du wirst zusammen mit neun anderen hierbleiben und das Schiff und unsere Habe bewachen.«
Storchenbein murrte, doch er wusste den Grund … Er war für einen langen, schnellen Marsch einfach nicht geeignet.
Er wusste aber auch, wie ich später erfuhr, dass er seinen Teil der Beute abbekommen würde, denn niemand behielt etwas für sich. Jedenfalls offiziell. In Wirklichkeit stahl natürlich jeder eine Kleinigkeit: Silbermünzen, die in die Hose gesteckt wurden und in die Stiefel fielen oder in kleinen Beuteln in der Hose oder in der Kotte verschwanden. Wer erwischt wurde, erhielt eine Strafe, über die die Eingeschworenen entschieden. Er verlor in jedem Fall seinen Beuteanteil, es wurde aber meist auch ziemlich schmerzhaft für ihn.
»Wir suchen etwas, das leicht zu finden sein wird: den Christentempel von St. Otmund«, sagte Einar. »Es müsste das einzige große Steingebäude meilenweit im Umkreis sein, mit Außengebäuden aus Holz, also haltet danach Ausschau. Wir überfallen es und machen uns dann so schnell wie möglich aus dem Staub. Dieses Königreich verfügt über gute Befestigungen und weiß sich zu verteidigen. Also nehmt nur das mit, was ihr tragen könnt – keine Sklaven, kein Vieh, nichts Schweres.
»Das Einzige, was wir wirklich erbeuten müssen, ist ein … ein … Reliquiar.« Er stolperte über dieses fremde Wort, dann sah er in unsere ratlosen Gesichter. »Es sieht aus wie ein Kasten, kunstvoll gezimmert und mit Schnitzereien verziert. Den müssen wir finden.«
»Was ist denn darin?«, fragte Ketil Krähe nur mäßig interessiert.
Einar zuckte mit den Schultern. »Knochen, wenn es stimmt, was ich gehört habe.«
»Knochen? Was für Knochen?«, fragte Illugi Godi neugierig.
»Mit ziemlicher Sicherheit die von diesem Otmund«, sagte Einar. »Das machen diese Christus-Anhänger mit ihren Heiligen. Sie legen ihre Knochen in einen Kasten und beten sie an.«
»Scheiße«, sagte Valknut angewidert. »Noch mehr Zauberkram. Was hecken die denn aus, da in Birka?« Er machte schnell ein Abwehrzeichen und fast alle taten es ihm nach.
»Gute Frage«, brummte Skapti. »Was will Birka mit einem Haufen Knochen?«
Wieder zuckte Einar die Schultern und sah sie mit düsterer Miene an. »Ihr braucht nur zu wissen, dass sie uns als Gegenleistung dafür
Weitere Kostenlose Bücher