Die Eingeschworenen Raubzug
austreten, ohne Kampf und ohne Schande? «, fragte Einar.
»Das will ich«, sagte Gauk.
»Für wen?«
»Gunnar Raudi.«
Das war alles. Gauk würde frei sein und konnte am nächsten Tag gehen und mitnehmen, so viel er tragen konnte, und Gunnar Raudi würde seinen Platz einnehmen. Ich schluckte nervös. Ich verstand, dass man ein volles Mitglied der Eingeschworenen wurde, wenn man ein anderes Mitglied herausforderte und tötete und dann den Eid ablegte. Es sei denn, ein anderer schied freiwillig aus.
Gauk und Gunnar hatten sich bereits an den Unterarmen umfasst und Gunnar bot an (so war es die Sitte, wie ich später erfuhr), Gauk alles abzukaufen, was dieser
nicht mitnehmen konnte. Gleichzeitig schwitzend und frierend sah ich zu dem anderen Mann hinüber, dem Einar sich jetzt zuwandte.
»Thorkel? Willst du auch ohne Kampf und ohne Schande gehen?«
»Das will ich, für Orm Ruriksson.«
Lautes Gemurmel. Thorkel war ein erfahrener Mann und ein guter Kämpfer mit der Axt, und ich, das rief jetzt Ulf-Agar, war nur ein Grünschnabel.
»Ein Grünschnabel, der immerhin einen weißen Bären getötet hat«, schnauzte mein Vater ihn an. »Ich erinnere mich nicht, ähnliche Heldentaten von dir gehört zu haben, Ulf-Agar.«
Das dunkle Gesicht des kleinen Mannes verdunkelte sich noch mehr und jetzt wurde mir klar, was Ulf-Agar zu schaffen machte – die fehlende Legende. Er brauchte etwas, das nach seinem Tod weiterleben würde, und er war neidisch auf alle, die bereits das hatten, was er suchte und nicht stehlen konnte.
Ich hätte sie ihm gegönnt, dachte ich, denn meine Legende war eine Lüge und nur das Schamgefühl hinderte mich daran, es zuzugeben.
Einar strich sich übers Kinn und dachte nach. »Es ist schwer, einen guten Mann aufzugeben für jemanden, der sich noch nicht bewährt hat. Und das ohne Kampf. Wie wissen wir, wen wir aufnehmen, wenn neu Dazugekommene nicht kämpfen müssen?«
Thorkel zuckte die Schultern. »Einerlei, er würde gewiss besser kämpfen als ich. Und ich will nicht mehr kämpfen. Schon gar nicht gegen diese Christus-Anhänger, denn meine Frau in Gotland gehört zu ihnen und ich schwor ihr bei Odin, dass ich ihre heiligen Stätten nicht überfallen
würde. Deshalb ist es das Beste, wenn ich gehe, denn wenn es das ist, was die Leute in Birka wollen, dann kann ich nicht mitmachen.«
Einar blickte ihn finster an. »Du hast auch uns gegenüber einen Eid geleistet, Thorkel. Soll der durch ein Versprechen einer Frau gegenüber ungültig werden? Gilt dein Wort, das du uns gegeben hast, weniger als dein Wort an eine Frau?«
»Du kennst die Frauen nicht, Einar«, sagte Storchenbein düster, der seine hagere Gestalt jetzt in einen weiten Umhang gehüllt hatte. »Du solltest meine Frau kennen. Bei der bricht man auch nicht leichtfertig ein Versprechen. «
Alle, die Storchenbeins Frau kannten, lachten. Ehe Einar antworten konnte, schlug Illugi Godi mit seinem Stab an einen Stein und es wurde wieder still.
»Es war nicht nur ein Versprechen seiner Frau gegenüber«, sagte er ernst. »Er hat es Odin geschworen. Und egal, wie dumm das gewesen sein mag, es ist und bleibt ein Schwur vor Odin.«
»Unser Schwur ist ebenfalls vor Odin abgelegt«, wandte Einar ein und Illugi runzelte die Stirn. »Unseren Schwur haben wir in Odins Angesicht voreinander abgelegt. Thorkels eigener Schwur vor Odin mag echter sein, aber ich denke, er wird mit den Konsequenzen mehrerer Schwüre leben müssen. Auf jeden Fall bricht er sein Versprechen uns gegenüber nicht, solange ein anderer seinen Platz einnimmt.«
Alles nickte zustimmend und Einar zuckte mit den Schultern und wandte sich mir zu. »Also, damit nimmst du den Platz eines guten Kämpfers ein, Orm Ruriksson. Sorge dafür, dass wir den Tausch nicht bereuen müssen.«
Ich trat vor, wie aufgefordert, und umklammerte Thorkels Unterarm. Er nickte mir zu und zog sich dann zurück.
Und das war’s. Jetzt gehörte ich zur Mannschaft der Eingeschworenen unter Einar dem Schwarzen.
Später beobachtete ich Thorkel und meinen Vater in einem Gespräch unter vier Augen, und mir kam ein Gedanke, der mir keine Ruhe ließ, bis ich ihn ausgesprochen hatte.
»Das hast du eingefädelt«, warf ich meinem Vater vor, und zu meinem Erstaunen grinste er und nickte, wobei er den Finger auf die Lippen legte.
»Ganz recht. Thorkel will schon lange weg. Er hat eine irische Frau in Dyfflin, das ist nur ein kurzer Weg übers Wasser von hier, und er hat ihr gegenüber auch keinen Schwur vor
Weitere Kostenlose Bücher