Die Eingeschworenen Raubzug
hatte, waren beide hocherfreut, Geschäfte zu machen, und wir verbrachten einen ganzen Morgen damit, zu wiegen, zu messen, abzuschneiden und Silberstücke zu zählen. Dann zogen die zerlumpten Eingeschworenen mit ihren Stoffen los, um wenigstens die nötigsten Kleidungsstücke zu ersetzen.
Zunächst wollte Einar gleich am nächsten Tag weiterfahren, den Fluss hinauf, da Slowarkans Knarr ebenfalls weiterfuhr, jedoch nach Süden. Er war überzeugt, dass entweder dieser Händler in Kürze mit Starkad zusammentreffen oder Starkads Langschiff jeden Moment hier eintreffen würde.
Doch natürlich wiesen Valgard und Rurik darauf hin, dass die Elk noch nicht für die Weiterfahrt fertig war und dass Einar, wenn er den Fluss hinauffuhr, darin gefangen wäre wie ein Hase in der Falle. Sie hielten es für besser, dass die Elk mit einer kleinen Gruppe etwas weiter unten an der Küste bliebe. Hier könnten die nötigen Reparaturen ausgeführt werden – Nägel hatten sich gelockert, die Wanten waren zerschlissen –, während wir anderen zur Schmiede gingen.
Wir saßen unter Schutzdächern aus Wollstoff, niemand hatte Lust, sich in den stinkenden Fischerhütten der Einheimischen aufzuhalten. Und an diesem Tag passierten zwei Dinge, die Einar schließlich doch dazu bewogen, die Elk zur Reparatur fortzuschicken.
Das erste Ereignis war eigentlich recht harmlos. Storchenbein war ein Mann Odins – und ich erfuhr erst jetzt, warum – und sehr religiös, fast genauso wie Valknut. Immer wenn wir an Land gingen, baute er einen Steinmann, den er mit Rabenfedern schmückte. Zwar waren die schon ziemlich zerfleddert, aber trotzdem führte er sie stets zu diesem Zweck mit sich.
Doch es gab auch Christus-Anhänger unter den Eingeschworenen. Früher war das nie ein Problem gewesen. Doch jetzt saß Martin der Mönch immer bei ihnen, und diese Ratte wusste genau, was sie wollte. An jenem Tag wurde auch Einar bewusst, welche Gefahr Martin darstellte,
und ich wünschte mir, ich hätte mein Schwert nicht nur mit der flachen Seite auf seine Tonsur niedersausen lassen.
Ich saß da und kochte Lederstreifen, um sie weich zu machen und dann um den Metallrand meines Schildes zu wickeln, ehe sie wieder hart wurden. Dann wollte ich sie mit ein paar Nieten, die ich mir besorgt hatte, zusätzlich befestigen.
Das hatte ich seit dem Kampf bei der Otmunds-Kapelle vorgehabt, wo das Schwert des Jungen Funken sprühend an meinem Schildrand abgerutscht war. Die Wucht dieses Ausrutschers hätte mir beinahe die Wange aufgeschlitzt, deshalb hatte ich beschlossen, dem Schwert des Gegners etwas entgegenzusetzen, das seinen Schlag abbremsen würde.
Trotzdem, es hätte dem Jungen nichts genützt. Ich erinnerte mich, wie der Regen sich in seinen offenen Augen sammelte und mich fröstelte, als Hild ganz still ihre Hand auf meine Schulter legte.
Sie saß hinter mir und flocht mein Haar, das lang geworden war und mir bei der Arbeit am Schild in die Augen fiel.
Ich spürte ihre Berührung und versuchte dabei nicht zu erröten. Die anderen hatten sich anfangs zugezwinkert und gegenseitig angestoßen, als sie sahen, wie Hild einmal einen Riss in meinem Umhang nähte, und ich hatte gewünscht, sie würde mich in Ruhe lassen. Aber inzwischen war ich gern in ihrer Gesellschaft und freute mich über ihre Aufmerksamkeiten.
Wir lächelten uns an. Sie beschäftigte sich gern, das hielt sie offensichtlich vom Grübeln ab. Aber nichts konnte die Momente ihrer inneren Abwesenheit vertreiben
… wenn sie plötzlich die Augen verdrehte und weit weg war, irgendwo, an einem unbekannten Ort.
Valknut sagte, diese Aussetzer erinnerten ihn an die Fallsucht, denn dort, wo er geboren war, gab es auf dem Nachbarhof ein Mädchen, das diese Krankheit hatte. Er erklärte mir, die Krankheit käme von einem römischen König, der so mächtig war, dass alle Könige, die nach ihm kamen, ehrenhalber seinen Namen führten.
»Sie fiel um wie ein gefällter Baum«, erinnerte er sich. »Dann zuckte sie und schlug mit Armen und Beinen und hatte Schaum vor dem Mund, fast wie ein Mann, den ich mal sah, nachdem ihn eine Axt getroffen hatte, sodass sein Kopf gespalten war. Aber sie war nicht verletzt. Ihre Familie hatte sich daran gewöhnt und sie hatten immer ein Stück Leder bei sich, das sie ihr zwischen die Zähne schoben, sonst hätte sie sich die Zunge abgebissen.«
Aber ich glaubte nicht, dass dies die Fallsucht war, oder wenn ja, dann in einer leichteren Form. Hild schlug nicht um sich und sie
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