Die Eingeschworenen Raubzug
Bären, dem ich nicht ausweichen konnte, er hatte schwarze Augen und jagte mich in einem Raum, durch den der Wind fegte und der mit Rahen und Segeln vollgestellt war. Schließlich landete er auf meiner Brust, ein schweres Gewicht, das mich erdrückte …
Ich erwachte und auf mir lag etwas Warmes, Schweres. Die Hütte war nur von der letzten Glut des Feuers erhellt. Ich versuchte, mich aufzusetzen, aber eine Hand, schlank
und weiß, drückte mich zurück, sodass ich mich wieder hinlegen musste.
Ihr Haar hing wirr herab, ihre Wangenknochen leuchteten im roten Schein der Glut, ihre Augen waren jetzt klar und tiefschwarz – so schwarz wie Einars Augen, dachte ich. Darunter lagen Schatten und zwei tiefe Linien hatten sich zu beiden Seiten ihres Mundes eingegraben. Die Hand, die mich auf dem Bett niederhielt, war von blauen Adern durchzogen, die aus der blassen Haut herausstanden.
Wie verzaubert sah ich sie über mir, dann beugte sie sich herab und sah mir fest in die Augen.
»Orm«, sagte sie. Ich konnte mich nicht bewegen. »Ich weiß, was du suchst. Ich weiß, wo die Schmiede ist. Ich war dort, aber sie war zu groß, ich hatte zu viel Angst, um hineinzugehen. Der andere … der Hund des Christenpriesters packte mich. Aber ich muss zurückgehen. Bring mich zurück. Ich muss einen Weg finden zu dem dunklen … dem dunklen Ort … zu der Schmiede.«
Und dann schwanden ihr wieder die Sinne, sie sank auf mich, nicht schwerer als eine leere Hülle. Ich hielt sie umschlungen, während ihr Kopf auf meiner Brust lag und mein Thorhammer-Christenkreuz in ihre Wange drückte.
Und so hielt ich sie fest und schlief ein. Doch am Morgen lag sie auf ihrem eigenen Lager und ich fragte mich, ob ich das alles nur geträumt hatte. Sie wachte auf und lächelte mich an und ich sah, dass sie kaum älter war als ich.
Und dann erzählte sie.
Nachdem ich ihr Gerstenbrei und Wasser geholt hatte, ging ich zu Einar, der mit gekreuzten Beinen unter einem Zeltdach saß, wo er den Buckel wieder an seinen
Schild nietete. Alle waren beschäftigt, ich sah Hring in dem Faering draußen auf dem Wasser, wo er in der Flussmündung angelte.
Ich setzte mich Einar gegenüber und wartete. Schließlich ließ er sich herab, mich anzusehen. Hinter dem Wasserfall seiner schwarzen Mähne nahm er ein paar Nieten aus dem Mund.
»Die Frau heißt Hild«, sagte ich. »Sie ist eine Finnin und ihr Dorf heißt Koksalmi und liegt an der Küste, zwei Tagereisen von hier. Ihr Vater hieß Regin, und dessen Vater ebenfalls und dessen Vater auch, alle hießen sie Regin, bis in die graue Vorzeit.«
Er fixierte mich mit seinen schwarzen Augen. »Wie kommt es, dass du sie verstehst?«
»Einer von Gudleifs Pflegesöhnen war Finne. Ich habe die Sprache ein wenig von ihm gelernt.«
Einar strich die Enden seines Schnauzbartes und sah zur Hütte hin. »Und was ist das Besondere an dieser Finnin?«
»Sie wird verehrt, denn in ihr fließt das Blut der alten Schmiede«, fuhr ich fort. »Jetzt gibt es dort keinen Schmied mehr, schon seit langer Zeit nicht mehr. Der Letzte von ihnen schmiedete das Schwert für Attila, sagt sie, doch niemand außer ihr kennt heutzutage den Weg zu der Schmiede. Alle, die aus ihrem Geblüt sind, scheinen ihn gekannt zu haben, aber darüber bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Es scheint einstmals kein Geheimnis gewesen zu sein, sondern … es war einfach so.«
»Warum ist die Schmiede so wichtig? Und warum ist die Frau wichtig?«
Ich nickte, denn diese Frage hatte ich erwartet. »Der Mönch weiß, dass diese christliche Zauberlanze, hinter der er her war, vor langer Zeit dorthin gebracht wurde,
und deshalb schickte er Vigfus hin, um nachzusehen, ob sie noch dort ist, und um sie womöglich mitzunehmen. Als Vigfus keinen Erfolg hatte, beschloss er, Hild zu entführen, da die Dorfbewohner sie immer noch verehrten, in der Hoffnung, sie würden sie vielleicht gegen Auskünfte freikaufen. Aber sie floh, zur Schmiede, glaube ich …« Ich schwieg, denn an dieser Stelle war ihre Geschichte undeutlich geworden.
»Und?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Dort ist etwas passiert. Irgendetwas trieb sie zurück in Vigfus’ Arme und es verfolgt sie noch immer bis in ihre Träume.«
»Eine Fylgja?«, wollte Einar wissen.
Ich nickte. Der ruhelose Geist der Toten. Die Fylgja suchte sich manchmal einen anderen Körper oder wandelte in seiner alten Form umher, bis eine besondere Aufgabe, die der Geist sich gestellt hatte, erfüllt war. Das war allgemein
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