Die Eingeschworenen Raubzug
fragte höflich: »Dürfen wir noch etwas dazuschreiben?«
Er fragte nur der Form halber. Es war bereits abgemacht, die Eingeschworenen würden den Stein bezahlen und er würde hier stehen, um Storchenbeins und Skaptis Ruhm auf Runenbändern zu verkünden, die jetzt eingemeißelt werden sollten. Er sollte aber auch an die anderen erinnern, die wir zusammen mit ihnen verloren hatten. Zu ihren Namen würde die schlichte Botschaft hinzugefügt werden, dass sie zu den Eingeschworenen von Einar dem Schwarzen gehört hatten, und darunter die Orte, die sie auf ihren Reisen gesehen hatten:
»KrikiaR – iaursaliR – islat – Serklat«. Griechenland, Jerusalem, Island, Serkland.
Einige hatten Texte vorgeschlagen wie: »Sie gaben den Adlern Futter« oder etwas noch Dramatischeres, egal was es kostete, aber Illugi blieb bei dem, was zuvor in der Versammlung von allen, einschließlich Einar, beschlossen worden war.
Als wir uns zum Gehen wandten, sagte Hild: »Du hast auf dieser Fahrt gute Freunde verloren. Das tut mir leid.«
Ich war überrascht, denn so viel hatte sie nicht mehr gesprochen, seit wir den Berg mit der Schmiede verlassen hatten. Ich wollte etwas Höfliches zur Antwort geben, aber mir fiel nichts Unverbindliches ein. Also sagte ich, was ich wirklich dachte.
»Ich frage, ob Skapti wohl noch irgendwo Familie hat«, sagte ich. »Falls er einen Vaternamen hatte, so habe ich ihn jedenfalls nie gehört.«
Hild nickte und betrachtete den Lanzenschaft, den sie stets bei sich trug. »Es ist schlimm, wenn man Freunde verliert«, stimmte sie mir zu.
Ich seufzte. »Das weißt du wohl nur zu gut. Du hast deine Mutter und all deine Freunde verloren. Und du kannst nie in dein Dorf zurückkehren. Aber ich denke, das würdest du auch gar nicht wollen, nach allem, was passiert ist.«
Stille trat ein, und ich fragte mich, ob ich dieses Thema besser nicht angesprochen hätte, aber sie nickte nur mit ausdruckslosem Gesicht. Wir gingen weiter zur Straße, die zu der Stadt führte, die sich mit ihren vielen verräucherten Holzhäusern in der Ferne ausdehnte.
Hinter uns hörte ich, wie Gunnar Raudi und die anderen, die schon wieder guter Dinge waren, mit rauen Stimmen
beratschlagten, wie sie auf den Stein und auf die Toten anstoßen würden, zusammen mit dem Steinmetz und seinen Helfern, wie es der Brauch war. Vor uns ging Olga behäbig und nachdenklich neben dem großen, hageren Illugi und nickte zu dessen Worten. Auf jeder Seite hatte sie eins ihrer Kinder, die wie junge Lämmer in der Frühlingssonne hüpften und lachten, unberührt vom Tod eines Vaters, den sie kaum gekannt hatten.
»Als ich zum ersten Mal blutete«, sagte Hild plötzlich, »erzählte meine Mutter mir ein Geheimnis, das ihre Mutter ihr erzählt hatte. Dann gab sie mich zu der Frau des Gerbers. Kurz darauf opferte sie sich dem Berg, in dem die Schmiede ist, wie zuvor meine Großmutter auch, denn das wurde von ihr erwartet. Die Leute in Koksalmi sind keine schlechten Menschen, aber sie glaubten an die Macht der Schmiede. Das Dorf war vor langer Zeit dazu auserwählt worden, etwas zu erschaffen, um die alten Götter ewig am Leben zu erhalten.«
»Du meinst die Wanen?«
»Ein noch älteres Göttergeschlecht.« Sie schwieg, aber ich sah, wie sie mit weißen Knöcheln den Lanzenschaft umklammerte. Ich begriff, dass der bloße Gedanke sie in Angst und Schrecken versetzte.
»Aber jetzt bist du in Sicherheit«, sagte ich, um ihr Mut zuzusprechen. »Du hast dich dem Fluch der Schmiede gestellt und es geht dir von Tag zu Tag besser.«
»Besser?«
Ich machte eine hilflose Handbewegung. »Na ja, als wir dich fanden, warst du … krank. Und jetzt bist du wieder gesund. Diese Anfälle, sie sind vorbei. Darüber bin ich froh.«
Eine Weile gingen wir schweigend weiter, dann sah sie
mich an und legte mir die Hand auf den Arm. »Hast du mich gern, Orm?«
Ich merkte, wie ich vor Verwirrung errötete. Ich fing an herumzustottern und sah, dass ihre Augen traurig wurden. Ich verstummte, ich konnte kein vernünftiges Wort herausbringen.
Sie kam dichter an mich heran. Ich fühlte einen Kuss auf meiner Wange, zart und flüchtig wie ein Schmetterlingsflügel, aber schon hatte sie den alten Abstand wiederhergestellt. »Du bist sehr gut zu mir gewesen. Aber hüte dich. Versuche nicht, mich zu … lieben, sonst wirst du sterben.«
Sie sah mich mit einem Blick an, der so scharf war wie die Spitze, die einst den römischen Lanzenschaft geziert hatte, den sie so entschlossen
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